Zahnärztliche Akademie

Zahnheilkunde - neue Techniken und neue Perspektiven

1976

Die Quellen:

Aufzeichnungen von Dr. Edgar Lauser zum Kurs von Dr. Charles E. Stuart am 22.-25. März 1976

„Zum Begriff Gnathologie: Sie stellt eine Ganzheitsbetrachtung des stomatognathen Systems dar. Es werden dabei die verschiedenen Funktionen des Mundes berücksichtigt, wie kauen, schlucken und sprechen.“

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Kommentar von Prof. Dr. Jens Christoph Türp, Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel, zum zeitgeschichtlichen Dokument: „Die Wissenschaft der Okklusion – Theorie und Praxis“. Skript zu Kurs Nr. 745 von Dr. Charles E. Stuart, Ventura/Kalifornien, USA, durchgeführt vom 22. bis 25. März 1976

„Von dieser knisternden, technik- und fortschrittsbeseelten Atmosphäre lassen sich auch Teile der deutschen Zahnärzteschaft anstecken. Enttäuscht von – in ihrer Wahrnehmung – Defiziten innerhalb der universitären Ausbildung, hatten sie ihre Antennen frühzeitig Richtung Nordamerika ausgerichtet.“

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Dr. Edgar Lauser erinnert sich an Kurse zur Gnathologie

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Dr. Edgar Lauser schaut im Alter von 27 Jahren Dr. Charles E. Stuart über die Schulter. (Quelle: Dr. Edgar Lauser)

Ein Freiplatz für Assistenten

Dr. Lauser: Ich habe nach dem Staatsexamen in Freiburg an der dortigen konservierenden Abteilung unter Leitung von Professor Schreiber als Assistent angefangen und wurde ein halbes Jahr später sein Privatassistent. Zu dieser Zeit war Kollege Bernd Klaiber, heute emeritierter Professor, an der Abteilung Oberarzt.

Professor Schreiber war gegenüber der Gnathologie sehr aufgeschlossen. Das war damals kein Lehrfach. Das war eher „Hobby“. Er hatte es sehr begrüßt, dass ich in Karlsruhe an der Akademie Kurse hierzu absolviert habe. Es war wohl damals so, dass man in den Kursen an der Akademie für die Assistenten aus der Uni einen „Freiplatz“ reservierte. So habe ich einige Kurse gemacht. Ich habe Professor Schreiber dann auch immer Bericht erstattet.

Auch bei dem Stuart-Kurs habe ich mitgeschrieben und dies dann abgetippt. Die Aufzeichnungen habe ich dann immer an Professor Schreiber gegeben. Quelle Skript

Ein kleiner Schluck Cognac

Dr. Lauser: Der allererste Kurs, den ich besuchen durfte, war mit Professor Schön. Das war der Ergonomie-Papst. Das war schon sehr eindrucksvoll, weil an der Uniklinik haben wir natürlich noch im Stehen behandelt. Bei Professor Schön war das sitzend und am liegenden Patienten. Das war etwas völlig Neues. Da habe ich noch in guter Erinnerung, dass er gesagt hat, seine linke Hand bleibt immer frei, da kann er notfalls während der Behandlung auch mal einen kleinen Schluck Cognac trinken (lacht). Also, er meinte damit, die Helferin musste so sitzen und mit ihren beiden Händen abhalten, dass er nur die rechte Hand benutzen musste.

Akademie: Das war damals nicht der Standard? War das noch nicht üblich?

Dr. Lauser: Nein, die Behandlungsplätze waren dafür auch überhaupt nicht ausgelegt. Als Studenten hatten wir auch kleine Boxen. Für einen Stuhl zum Sitzen wäre vielleicht noch Platz gewesen, aber sicherlich nicht für zwei.

Akademie: Das kann man sich heutzutage überhaupt nicht mehr vorstellen.

Dr. Lauser: Nach meiner Klinikzeit habe ich bei Dres. Gudrun und Michael Röhricht in Ettlingen gearbeitet. Da war der Weg in die Fortbildungsakademie natürlich auch nicht weit. Im Jahr 1978 habe ich mich dann in Eberbach selbstständig gemacht. Einige Jahre später kam erst ein Eigenlabor hinzu und schließlich haben wir die Praxis als Gemeinschaftspraxis geführt. Im Jahr 2004 habe ich meinen Teil abgegeben. Ich habe mich auch als Berufsschullehrer im Fach Abrechnung in Mosbach engagiert und war bis 2017 Mitglied des Prüfungsausschusses für die ZFA. Bis Dahin durfte ich die Herbstkonferenzen in Baden-Baden besuchen, wo gleichzeitig die Fachlehrertagungen stattfanden. Herbstkonferenzen

Persönliche Widmung von P. K. Thomas, Aufzeichnungen mit dem Pantographen nach Stuart (Quelle: Dr. Edgar Lauser)

Aufzeichnungen mit dem Pantographen

Akademie: Wie ging es nach dem Ergonomie-Kurs weiter?

Dr. Lauser: In Erinnerung ist mir vor allem der mehrtägige Kurs mit Dr. Charles Stuart geblieben. Meinen Mitschrieb, den ich damals abgetippt habe, liegt Ihnen ja vor. Ich habe Professor Schreiber von dem Kurs erzählt. Wir hatten an der Uni auch einen Pantographen und Artikulator nach Stuart, die Professor Schreiber organisiert hatte. Bei dem Pantographen gab es ein Ober- und Unterteil. Wir haben damit auch „experimentiert“, d.h. nicht mit unseren Patienten, wohl aber gegenseitig. Wir haben die Löffel dann entsprechend fest eingegipst und mit dem Pantographen die entsprechenden Aufzeichnungen gemacht. Davon habe ich auch ein Bild.

Akademie: Ach ja, sehr schön. Und da ist noch ein Skript von Dr. Peter Thomas?

Dr. Lauser: Ja, genau. Das war von einer Jahrestagung der Gesellschaft für Gnathologie.

Akademie: Das waren ja die Hochzeiten der Gnathologie. Ist interessant, dass sich damals gerade die konservierende Abteilung dafür interessierte.

Dr. Charles E. Stuart demonstriert die Unterkieferbewegungen mit einer Schablone. Dr. Axel Bauer übersetzt. (Quelle: Dr. Edgar Lauser)

Dr. Axel Bauer übersetzt

Dr. Lauser: Professor Schreiber war sehr fortschrittlich. Ich erinnere mich auch an die Einführung der Säure-Ätz-Technik mit den Kompositen. Wir hatten da eins von den ersten Aushärtungsgeräten. Nuvalight hieß dies. Er war sehr offen für Neues.

Was noch sehr interessant war, war der Kollege Dr. Axel Bauer, der den Kurs übersetzt hatten. Dr. Stuart hat ja alles auf Englisch gebracht und wenn ich das Bild anschaue, da kann man den Kollegen Bauer rechts sehen.

Akademie: Ach ja, und sind Sie das hier?

Dr. Lauser: Ja, das bin ich. Da war ich 27 Jahre. Auf diesem Foto sieht man übrigens Prof. Körber aus Tübingen (siehe Bildergalerie). Der Kurs war didaktisch auch sehr gut gemacht. Auf diesem Foto hier sieht man eine Unterkieferschablone an der Tafel.

Akademie: Aha, das ist eine Schablone. Da kann man auch gut erkennen, dass der Kollege Axel Bauer den Kurs übersetzt.

Prof. Dr. Walther Engel begrüßt die Teilnehmer und stellt den Referenten Dr. Charles E. Stuart und den Übersetzer Dr. Axel Bauer vor. (Quelle: Dr. Edgar Lauser)

Kurseröffnung

Dr. Lauser: Und hier gibt es noch ein Foto mit Prof. Engel bei der Begrüßung. Das kann auch der zweite Tag gewesen sein.

Akademie: Das war also auch schon zu dieser Zeit üblich, dass der Direktor die Kurse eröffnet und die Referenten vorstellt?

Dr. Lauser: Ja, das war so.

Akademie: War denn Axel Bauer damals auch schon ein bekannter Zahnarzt?

Dr. Lauser: Ich denke ja, er hat ja später mit Prof. Gutowski zusammen Kurse gegeben. Ich erinnere mich noch gut an einen Remontage-Kurs. Beide waren meines Wissens in Amerika, daher hatten sie ihr Wissen.

Die Wissensvermittlung findet im Jahr 1976 an der Tafel statt. (Quelle: Dr. Edgar Lauser)

Man hat sich vom „Feld-, Wald- und Wiesenzahnarzt“ abgehoben

Akademie: Wenn man das Skript so durchblättere, finde ich ganz interessant die Anmerkungen von Dr. Charles Stuart zur Arbeit der Zahnärzte, dass diese 90% der Zeit darauf verwenden Dinge wieder in Ordnung zu bringen und es wäre natürlich gut, wenn man es gleich perfekt machen würde. Jetzt zu meiner Frage, herrschte denn in der Gnathologie, gerade da diese nicht an der Uni gelehrt wurde, so etwas wie ein „elitärer Geist“?

Dr. Lauser: Ja, vielleicht. Auf der anderen Seite hat es natürlich auch viel gebracht. Auch Arne Lauritzen war ein Perfektionist. Ich habe hier noch eine Arbeitsanleitung zur Lauritzen-Technik über 26 Seiten. Das war schon alles sehr aufwändig. Wie man das alles macht, beispielsweise wie der Biss zu nehmen ist oder wie genau die Abformung auszugießen ist. Die Frühkontakte im Artikulator mussten dann genau der Situation im Mund entsprechen. Da musste man schon sehr, sehr genau arbeiten. Für mich war das ein erfolgreiches Konzept. Es kann natürlich auch sein, dadurch dass man sich viel Zeit für den Patienten nehmen musste, dies eine gewisse psychologische Komponente für den Patienten hatte. Das war sicherlich auch ein positiver Effekt.

Elitär vielleicht nicht, aber man hat sich durch diese Arbeitsweise natürlich schon vom „Feld-, Wald- und Wiesenzahnarzt“ abgehoben. Es ist auch so, dass aus dem Kreis der Gnathologen die Neue Gruppe entstanden ist, das waren die Fortschrittlichen und die an der Uni die älteren Herren. Da war schon ein gewisser Gegensatz. Damals war alles was von Amerika kam, gut.

Aufzeichnung mit dem Pantograph. Auch Prof. Körber aus Tübingen gehört zu den Kursteilnehmern. (Quelle: Dr. Edgar Lauser)

Gnathologie habe ich in mein Behandlungskonzept eingebunden

Akademie: Hier sind auch noch einige Fotos, auf denen man Dr. Felix Weber sehen kann.

Dr. Lauser: Ja, der hat mich sehr beeindruckt. Da ging es um die Frontzahnästhetik bei Totalprothesen. Gerne erinnere ich mich an die familiäre Atmosphäre in Karlsruhe, mit den Kollegen, die man teilweise häufiger getroffen hat, auch an die Pausen und abends, wenn man gemeinsam etwas Essen war z.B. im „Krokodil“. Bei dem Erfahrungsaustausch hat man auch noch eine Menge dazugelernt.

Akademie: Waren die Kurse auch mit 20-25 Teilnehmern besetzt?

Dr. Lauser: Ja, so etwa. Das war auch recht teuer. Der Stuart-Kurs kostete 600,- oder 800,- DM. Als ich 1978 in eigener Praxis angefangen hatte und die Gnathologie in mein Behandlungskonzept vor allem bei Totalprothesen eingebunden habe, musste ich auch etwas dafür berechnen. Die 8000er Positionen gibt es ja erst seit 1988. Ich habe mal nachgesehen, für Gesichtsbogen, inklusive Registrate und Mittelwertartikulator waren das 120,- DM. Das war nicht üppig. Aber zufriedene Patienten waren auch wichtig.

Ein Eimer, ehemals mit Velmixstone Pink gefüllt für Superhartgipsmodelle nach Lauritzen. Nun seit Jahren für die Gartenarbeit bei Dr. Lauser im Einsatz und eine besondere Erinnerung an die Gnathologie. (Quelle: Dr. Edgar Lauser)

Eine Menge schöner Erinnerungen

Akademie: Ist denn von den Kursen danach noch einer in spezieller Erinnerung geblieben?

Dr. Lauser: Ja, der von Kollegen Schreinemaker mit seinem speziellen Löffel für die Totalprothese. Es gab noch einen Referenten, an dessen Namen ich mich aber nicht mehr erinnere, der hatte eine besondere Abformtechnik ...

Akademie: ... vielleicht war das Johannes Meist?

Dr. Lauser: Ja, richtig! Dann kann ich noch das Aufbautraining zum Sachverständigen hervorheben, das ich als Gutachter absolviert habe.  Sachverständigentraining

In guter Erinnerung habe ich auch das erste Moderatorentraining mit Prof. Walther. Da war die Didaktik mit Gruppenarbeit besonders. Das konnte man sehr gut gebrauchen. Wir haben in der Folge in Eberbach einen zahnärztlichen Qualitätszirkel gegründet, und es war auch für den Unterricht als Berufskundelehrer hilfreich. Moderatorentraining

Im Rahmen der Weiterbildung zur ZMF habe ich selbst auch einen Kurs zur Rechts- und Berufskunde gehalten. Es gab natürlich noch eine Menge anderer Kurse. Bevor ich es vergesse: Zum hundertjährigen Jubiläum möchte ich ganz herzlich diesem engagierten Team der Akademie gratulieren und denke gerne an zahlreiche prägende Veranstaltungen zurück. Ich habe da wirklich sehr viele schöne Erinnerungen.
Ihnen noch viel Erfolg beim Zusammenstellen.

Akademie: Vielen Dank auch für die Fotos und das schöne Interview!

 

 

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