Zahnärztliche Akademie

Von der Ausbildung zur Fortbildung - neue Anforderungen und Ziele

1960

Die Quellen:

„Vollendeter Einheitsstand“ - Festansprache zur Schließung des letzten Dentistischen Lehrinstituts in München am 27. September 1960. Zahnärztliche Mitteilungen, Nr. 20, 1960, S. 894

„Die Optimisten und Gläubigen haben Recht behalten. In viel kürzerer Zeit, als dies erwartet werden konnte, hat die innere Verschmelzung der beiden früheren Berufsstände zu einem einheitlichen Stand in einer einheitlichen Organisation dazu geführt, daß heute die sogenannte Kampfzeit und der Bruderkrieg nur noch in der Erinnerung eine schwache Rolle spielen.“

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„Die Lehrinstitute des BDZ schließen ihre Pforten“ - Bericht über die Schließung der Institute in Karlsruhe und Frankfurt Zahnärztliche Mitteilungen, Nr. 9, 1960, S. 373

„Die Lehrinstitute des BDZ haben sich die größten Verdienste um den Gesamtstand erworben. Als Dentistische Lehrinstitute haben sie weitgehend mitgeholfen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß [...] die Beseitigung des Dualismus erreicht wurde.“

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Vollendeter Einheitsstand – der Dualismus Zahnarzt/Dentist wird überwunden

von Prof. Dr. Winfried Walther

Die Schaffung des „Einheitsstandes"

Die Schaffung des „Einheitsstandes“ liegt jetzt 60 Jahre zurück. Nur wenigen Kolleginnen und Kollegen sind die Auseinandersetzungen noch präsent, die mit der Überwindung des Dualismus von Zahnarzt- und Dentistenstand verbunden waren. Rückblickend betrachtet war die Schaffung des Einheitsstandes eine berufspolitische Glanzleistung. Es erhebt sich die Frage, ob die Fortschritte, die in Feldern wie der Prophylaxe und der Behandlung von Patienten mit besonderem Betreuungsbedarf in den letzten Jahren und Jahrzehnten erzielt wurden, auch möglich gewesen wären, wenn zwei Berufsstände bei diesen Initiativen hätten mitwirken müssen. Die Entscheidungswege wären auf jeden Fall länger und komplizierter gewesen.

Der Einheitsstand ist eine Errungenschaft, die nach meiner Erfahrung in der Kollegenschaft weitgehend positiv eingeschätzt wurde. Die Dentisten hatten durch die Regelungen des Zahnheilkundegesetzes die Option, die zahnärztliche Bestallung zu erhalten. Einen Erlebnisbericht aus dieser Zeit findet man im Abschnitt „Zeitzeugen“. Interview Karl Heinz Grein Dass der Unterschied zwischen den jetzt vereinten Berufsgruppen noch eine Zeit lang eine gewisse Rolle spielte, entnahm ich einer Äußerung meines Vaters, der mich nach meinem Examen im Jahre 1979 darauf hinwies, ich solle jetzt meinen Doktor machen, damit ich nicht für einen Dentisten gehalten werde. Allerdings war er durchaus der Meinung, dass Kollegen mit dentistischer Ausbildung sehr gute Zahnmedizin machten.

Kurt Matheis am Rednerpult (Quelle: Aus dem Fotoalbum von Dr. Rüdiger Engel)

Mit Kollegen, die dentistisch ausgebildet waren und über die Regelungen des Zahnheilkundegesetzes die zahnärztliche Bestallung erhalten hatten, habe ich dann 1981 in Karlsruhe erstmals Kontakt gehabt. Es war ganz selbstverständlich, dass viele von ihnen hohe Ämter in der Berufspolitik bekleideten. Kurt Mattheis, der noch im Karlsruher Lehrinstitut seine Ausbildung erfahren hatte, war ein ausgewiesener und angesehener Repräsentant der zahnärztlichen Profession. Er war Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Karlsruhe und des Verwaltungsrates der Akademie. Mit Professor Michael Heners verband ihn die Leidenschaft für das Haus in der Sophienstraße.

In der ersten Quelle dieses Beitrages spricht Dr. Erich Müller. Er war bereits zur Zeit meines Studiums in Hamburg eine Legende. Schon in den zwanziger Jahren war er in der Berufspolitik aktiv. Nach dem Krieg wurde er der erste Vorsitzende des Bundes der Deutschen Zahnärzte, dem Zusammenschluss der zahnärztlichen Berufsvertretung mit dem dentistischen Berufsverband in der neu entstandenen Bundesrepublik. Dieses Amt hat er als Chance genutzt, die Vision vom Einheitsstand Wirklichkeit werden zu lassen. In seine Amtszeit fällt auch die Verabschiedung des Zahnheilkundegesetzes, das nach seinen Worten eine erhebliche Aufwertung der Zahnheilkunde zur Folge hatte: „Die Zahnheilkunde hat die Rolle des Stiefmütterchens der Heilkunde ausgespielt und ist zu einem vollwertigen Teil der Gesamt-Medizin herangewachsen.“

Dr. Erich Müller – 1. Vorsitzender des Bundes der Deutschen Zahnärzte (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Das Loblied auf die Lehrinstitute

Die diesem Beitrag beigefügte Quelle ist der Abdruck seiner Rede, die er im September 1960 in München gehalten hat, als das letzte Institut des BDZ geschlossen wurde. Er zieht Bilanz und schlägt einen großen Bogen, der viele Jahrhunderte Zahnmedizin-Geschichte umfasst.
Das Institut in Karlsruhe erwähnt Erich Müller nicht. Es war zum Zeitpunkt seiner Rede in München schon seit fünf Monaten ein zahnärztliches Fortbildungsinstitut, dessen Betrieb sich erfreulich entwickelte. Dennoch lernt man aus seiner Rede, welche Bedeutung auch dem Institut in Karlsruhe zukommt. Dr. Müller stellt fest, dass „die Lehrinstitute einen ganz erheblichen - wenn nicht den wesentlichsten - Teil dazu beigetragen haben, den Dualismus zu überwinden, weil die Steigerung der Anforderungen an die Hörer … schließlich dazu führte, dass die Absolventen der Lehrinstitute… in gleichem Umfang ihr Können und Wissen nachweisen mussten, wie die Studierenden der Zahnheilkunde auf deutschen Universitäten.“
Die durch das Zahnheilkundegesetz gestellte Aufgabe, auf gleichem Niveau auszubilden wie die Universitäten, wurde durch die Lehrinstitute erfüllt. Dies sieht Erich Müller als eine wichtige Voraussetzung für seine am Eingang der Rede getroffene Feststellung: „Wir haben den Dualismus innerlich überwunden und zwar aus eigener Kraft.“ Dass die Initiative, den Stand zu vereinheitlichen beide Berufsstände vereinte, lag daran, dass ein gemeinsames Ziel angestrebt wurde: die Beseitigung der Kurierfreiheit.

Abschlussveranstaltung in Karlsruhe

Auch in Karlsruhe gab es eine Abschlussveranstaltung. Nach Abschluss des Wintersemesters 1959/60 wurde der Lehrbetrieb eingestellt. Direktor Walther Engel lud am 24. März 1960 zu einer Abschlussfeier in das Hotel Erbprinz in Ettlingen ein. Im Bericht der Zahnärztlichen Mitteilungen, der zweiten Quelle dieses Beitrages, werden die von den Lehrinstituten erbrachten Leistungen in Zahlen gefasst. „Noch im Laufe des Jahres 1953 erhielten 15157 von den vorhandenen 15813 staatlich geprüften Dentisten die Bestallung als Zahnarzt, nachdem sie an einem Fortbildungskurs für Mund-und Kieferkrankheiten sowie Arzneimittellehre an einem der Lehrinstituten teilgenommen hatten.“ Somit waren fast alle Dentisten zu Zahnärzten geworden. Wer sich noch in der dentistischen Lehre befand, musste ab 1955 eine viersemestrige Ausbildung an einem Lehrinstitut machen. Darauf erfolgte die Prüfung und die Bestallung als Zahnarzt/Zahnärztin. Auch zu diesem Ausbildungsweg gibt in dieser digitalen Festschrift eine Zeitzeugin Auskunft. Interview Liselotte Kölges-Friebolin

Der Berichtsteil über das Karlsruher Institut trägt eine optimistisch stimmende Überschrift: Im Zeichen der Wiedergeburt. Der Berichterstatter führt aus, Direktor Engel „befand sich in der günstigen Lage, darauf hinweisen zu können, dass das Lehrinstitut in Karlsruhe in Gestalt eines Fortbildungsinstitutes der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg wieder auferstehen wird.“

Dass der Weg dahin jedoch kein leichter war, wird im nächsten Beitrag beschrieben.

 

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