Zahnärztliche Akademie

Namen

1978-2008

Die Quellen:

Im Gespräch mit Dr. Vladimir Zura

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Dr. Vladimir Zura bei einem Vortrag im Jahr 1998 in Sarajevo (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Vom Studium in Belgrad über Umwege an die Universität Heidelberg

Akademie: Herr Dr. Zura, können Sie uns erzählen, wo Sie studiert haben und wie Sie den Weg an die Akademie gefunden haben?

Dr. Zura: Ich habe fünf Jahre in Belgrad studiert. Nach Abschluss des Studiums gab es ein spezielles Angebot für junge Zahnärzte ins Ausland zu gehen und dieses Angebot habe ich angenommen. Ich war für drei Monate in Berlin, aber als die Mauer dann gebaut wurde, musste man als Ausländer Berlin verlassen.
Dann gab es die Möglichkeit in der amerikanischen Armee eine Stelle zu kriegen. Das war für mich sehr lukrativ, weil es dort die Möglichkeit gab sich mit festsitzenden kieferorthopädischen Behandlungen zu beschäftigen. Ich war dann für sechs Monate an der Universitätsklinik Göttingen, dann bin ich in Bremen ins Bundeswehrkrankenhaus. Dort war ich knapp ein Jahr auf der kieferchirurgischen Abteilung und dann wollte ich an der Heidelberger Klinik in der Kieferorthopädie eine Stelle haben. Aber der damalige Chef, der Prof. Ritter hatte keine Stelle frei und dann bin ich für ein Jahr nach Homburg / Saar in die Kieferorthopädie. Nach diesem Jahr bin ich nach Mannheim zurückgekommen und habe am Heidelberger Uniklinikum eine Stelle bekommen und da war ich 12 Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter und Oberarzt in der Kieferorthopädie.

Akademie: Und da war Prof. Ritter noch Ihr Chef?

Dr. Zura: Ja, bis zu seiner Emeritierung. Nach 12 Jahren wollte ich von der Klinik weggehen. Ich habe einen Tipp bekommen, mich für die Leitung der Abteilung für Kieferorthopädie in Homburg zu bewerben. Und dann habe ich gleichzeitig von der hiesigen zuständigen Zahnärztekammer das Angebot bekommen, die Abteilung für Kieferorthopädie an der Akademie zu übernehmen. Die Abteilung hat Dr. Ruland an der Akademie geführt. Wie oft er an der Klinik war, diese Einzelheiten sind mir nicht bekannt.

Die Arztbesprechung im Jahr 1982 nach dem großen Umbau (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Gleichzeitig mit Prof. Heners beginnt Dr. Zura seine neue Aufgabe

Akademie: Es gab also schon kieferorthopädische Behandlung bevor Sie in die Akademie eingetreten sind?

Dr. Zura: Ja, Dr. Ruland hat diese geleitet. Er hat auch viele Fortbildungskurse in Kieferorthopädie für Zahnärzte gehalten. Ich habe dann die Antrittsvorlesung in Homburg gehalten, hatte aber eigentlich nicht vor dort zu bleiben. Ich habe den zweiten Platz belegt. Wobei es so war, dass Prof. Heners in Karlsruhe vorgesehen war und so sind wir dann beide gleichzeitig an die Akademie gekommen.

Akademie: Das war 1978?

Dr. Zura: Richtig, im Juli 1978. Dann musste man sich überlegen, wie man die Abteilung aufbaut und dann kam gleichzeitig Prof. Heners mit seiner Umstrukturierung der Akademie und im ersten und zweiten Folgejahr war sogleich Umbau und Praxis in der Akademie. DER GROSSE UMBAU

Es war ein sehr reger Zulauf von Patienten, da die Zahl der Kieferorthopäden im Raum Karlsruhe und Heidelberg nicht so groß war wie heutzutage.

Akademie: Und die Akademie kannten Sie vermutlich schon aus Ihrer Zeit an der Uniklinik Heidelberg?

Dr. Zura: Ja, die Akademie hatte ich einmal für einen Kurs, der mich speziell interessiert hatte, besucht. Was mir sehr wichtig war, dass eine sehr gute Betriebsatmosphäre herrscht. Das Personal war sehr professionell orientiert, da bei den Kursen haben die Mitarbeiter sehr viel mitbekommen. Die Entscheidung an die Akademie zu gehen war gut.

Arztbesprechung im Jahr 2005 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Drei Jahrzehnte Pendeln zwischen Ludwigshafen und Karlsruhe

Akademie: Haben Sie damals auch schon bei Ludwigshafen gewohnt?

Dr. Zura: Ja genau, in der Gegend.

Akademie: Sie sind also 30 Jahre gependelt ...

Dr. Zura: ... ja, von Ludwigshafen nach Karlsruhe über die B9 waren das 40-50 Minuten Fahrzeit in eine Richtung. Für mich war es in Karlsruhe sehr interessant. Ich habe gemerkt, wie die Assistenten, die allgemeinzahnärztlich tätig waren, wie die vom Studium kamen, wie die Ausbildung der Zahnärzte mit der Zeit immer besser und besser wurde.

Dr. Vladimir Zura mit dem kieferorthopädischen Weiterbildungsassistenten Matthias Schweizer in der Bibliothek (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie

Akademie: In der Akademie konnte man bei Ihnen auch die komplette Weiterbildung zum Kieferorthopäden machen, richtig?

Dr. Zura: Die Kieferorthopädie hatte die Ausbildungsberechtigung für drei Jahre, also die volle Weiterbildungszeit für Kieferorthopäden.

Akademie: War das von Anfang an so?

Dr. Zura: Das war nach dem ersten oder zweiten Jahr so.

Akademie: Können Sie sich noch an Ihren ersten Weiterbildungsassistenten erinnern?

Dr. Zura: Ich erinnere mich noch an eine Kollegin, die inzwischen nicht mehr praktiziert, die in der Pfalz später als Kieferorthopädin tätig war. Aber den Namen habe ich nicht mehr parat. Das Wesentliche für mich waren die gute Atmosphäre und der Geist „man gehört zusammen“. Das war sehr gut. Überhaupt in der ganzen Zeit, in der ich da war.

Behandlungseinheiten gehen an die Zahnklinik Breslau

Dr. Zura: Die Akademie hatte Kontakte mit der Universitätsklinik in Breslau aufgenommen, weil der Direktor der Klinik, Prof. Marschalek, der hatte ein DAAD-Stipendium gehabt und der hatte sich die Heidelberger Klinik ausgewählt und dann war es so, dass als die kieferorthopädische Abteilung in Karlsruhe neu gestaltet wurde, dann kamen die Geräte, acht ausrangierte Behandlungseinheiten nach Breslau.

Akademie: Okay.

Dr. Zura: Damals sind der Prof. Heners, der Herr Rosell und ich mit dem Auto nach Breslau gefahren. Wir haben dort auch zwei Vorträge gehalten.

Dr. Vladimir Zura und Dr. Dr. Michael Wörle im Jahr 1986 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Dr. Dr. Wörle kommt an die Akademie

Dr. Zura: In dieser Zeit kam Dr. Dr. Wörle an die Klinik. Er war auch Oberarzt vorher an der Uni Heidelberg. Ich hatte mit Dr. Wörle viele Nachtdienste gemeinsam gemacht. Mit Dr. Wörle hat dann die orale Chirurgie ein anderes Profil an der Akademie bekommen.

Akademie: Das war auch zu Beginn der 80er Jahre?

Dr. Zura: Das war in den frühen 80er Jahren. Davor hat sich Prof. Engel gekümmert und dann kam Prof. Heners. Er hatte immer neue Ideen und kam immer mit neuen Aktivitäten. Deshalb war die Tätigkeit für jeden, der in der Akademie beschäftigt war sehr interessant. Er war sehr offen für Neuigkeiten.

Die Delegation aus Karlsruhe (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Die Entwicklung der Zusammenarbeit mit Sarajevo

Akademie: Dann gab es die Zusammenarbeit mit Sarajevo.

Dr. Zura: Später in den 90er Jahren kam der Balkankrieg. Ich kannte viele Kollegen aus Sarajevo, zwei oder drei Professoren, mit denen ich damals in Belgrad studiert hatte. Ich hatte mit denen Kontakt und habe von den Leuten erfahren, dass es ihnen sehr schlecht geht. Zwei Kollegen habe ich angeboten, dass wir versuchen, dass sie rausgeflogen werden aus Sarajevo. Die haben das aber abgelehnt und gesagt, das kommt überhaupt nicht in Frage, die Leute brauchen uns an der Klinik und wir bleiben, wo wir sind. So hatte sich die Mitarbeit in der Klinik in Sarajevo entwickelt.
Kurz nach dem Krieg sind wir mit Prof. Heners und noch zwei Professoren aus dem Großraum Mannheim ein Wochenende runtergefahren. Wir haben ein Vortragswochenende gehabt. Bei dieser Gelegenheit haben wir durch Spenden von Zahnärzten, die Kurse an der Akademie besucht hatten, Geld organisiert. Das waren 100 Mark Spende pro Kursteilnehmer. Da kamen 600.000 DM und Materialspenden zusammen. Das war ein großes Projekt. Unterstützung Zahnklinik der Universität Sarajevo
Dadurch hatten wir auch die finanziellen Mittel zahnärztliche Mitarbeiter der Klinik in Sarajevo für drei oder vier Monate nach Deutschland vermitteln zu können zum Verweilen an einer deutschen Zahnklinik.

Akademie: Das war 1996?

Dr. Zura: Ja, das kann sein. Von den zehn vermittelten Zahnärzten sind dann später in der Klinik von Sarajevo drei oder vier Personen, die an der Klinik oder an einem großen Krankenhaus eine leitende Funktion haben. Die Kontakte haben eine ganze Weile gehalten. Das kann keine große Organisation, da bedarf es Leute, die Interesse und Gespür dafür haben. Der Prof. Heners war sehr interessiert, den Kollegen zu helfen und auch Prof. Staehle aus Heidelberg hat den Kontakten aus Sarajevo sehr geholfen. Wir waren dann noch öfters in Sarajevo. Der Prof. Heners war auch sehr interessiert daran, dass alles was gespendet wurde bleibt. Prof. Heners hat mich nach Sarajevo geschickt, um zu sehen, ob noch alles da ist. Ich kam dann in die Klinik und sagte, ich möchte gerne die Spendenlisten sehen und wo das Material gelagert ist. Alles war da und vorrätig. Es fehlten nur 150 T-Shirts. Das war denen sehr peinlich, der Pappkarton war fast leer (lacht). Dazu muss man wissen, dass im Krieg T-Shirts und Blusen besonders schlecht zu kriegen waren. Also die fanden andere Verwendung.

Akademie: Prof. Heners war dreimal in Sarajevo?

Dr. Zura: Ja, dreimal, einmal war er mit seiner Familie dort. Er hat zu mir gesagt, wissen Sie ich nehme die Kinder mit, die sollen sehen, was Krieg bedeutet, die Bilder im Fernsehen sind immer schön gemacht, das muss man vor Ort sehen.

Eine Zahnarztpraxis in einem bosnischen Gymnasium

Dr. Zura: Eine größere zahnärztliche Praxis hatte sich aufgelöst und die haben 16 oder 18 tausend Mark gespendet. Und da haben wir versucht eine Firma, die Dentalgeräte herstellt, in Slowenien zu finden, damit die von diesem Geld eine Praxis einrichtet. Wir haben eine Firma gefunden, die haben das dort eingerichtet und alles montiert in einem bosnischen Gymnasium in Sarajevo. Das ist ein Gymnasium, das alle drei Nationalitäten, die dort leben, aufnimmt, also von allen drei ethnischen Gruppen. Die Schule hat jetzt also eine Praxis. Das hat funktioniert.
Als ich mal wieder an die Klinik in Sarajevo kam, ist eine Kollegin auf mich zugekommen und hat gesagt, ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass ich einen Job bekommen habe als Zahnärztin. Sie hat in der Praxis dort gearbeitet. Sie sehen, es ist alles gut abgelaufen, nur die T-Shirts sind abhandengekommen (lacht) ...

Akademie: ... Die wurden sicher auch gut verwendet. Sind Ihnen von den Referenten noch Personen in Erinnerung geblieben?

Dr. Zura: Für mich war Prof. Klaiber für den konservierenden Bereich von besonderem Interesse, wie er da mit besonderer Virtuosität die Zähne mit Kompositmaterialien umgestaltet hat. Das war auch für die Klinikzahnärzte in Sarajevo wichtig, auch um zu sehen, was man erreichen kann, wenn man kein Kriegsgeschehen hat – im Krieg gibt es keinen Fortschritt.

Die Zahnärzte, die aus Sarajevo in Deutschland waren, wurden sehr gut aufgenommen. Der Prof. Kobaslija hat in Heidelberg einen Großteil seiner Habilitationsarbeit gemacht. Er hat auch den Walther-Engel-Preis bekommen. WALTHER-ENGEL-PREIS

Für den Karlsruher Vortrag gab es Dr. Haris Silajdzic als Referenten – „Europa und der Islam“. Das war ein beachtlicher Vortrag. Im Nachhinein war das alles sehr, sehr richtig.

Bei der Verabschiedung im Jahr 2008 von Dr. Vladimir Zura, der drei Jahrzehnte die Kieferorthopädie geleitet hat (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Es war für mich eine sehr schöne Zeit in Karlsruhe

Akademie: Erinnern Sie sich noch an ein paar Mitarbeiter, die Ihnen wichtig sind?

Dr. Zura: Ach wissen Sie, ich sagte Ihnen, es war eine sehr gute Stimmung unter dem Personal gewesen. Man hat sich sehr gut verstanden, fachlich und menschlich. Das ist sicher vorzüglich gewesen. Durch das schnelle Ableben von Prof. Heners war es ein Glücksfall, dass Prof. Walther die Akademie übernommen hat. Ich kann Ihnen sagen, es war für mich eine sehr schöne Zeit in Karlsruhe zu sein.

Akademie: Und Sie sind jetzt 90 Jahre alt, hat mir Frau Serr gesagt.

Dr. Zura: Ja, Frau Serr ist eine gute Zahnarzthelferin. Da fällt mir noch ein: Ich habe in Sarajevo einen Kurs über Multibandtechnik gegeben und da hatte ich Frau Serr mitgenommen. Im Kurs hat man sich unterhalten über Torque, was für eine Wirkung ein Torque hat, wie kann man sehen, wie sich das verändert. Da hat ein Kursteilnehmer gefragt, wie das mit 5 oder 6 Grad ist. Frau Serr hat dann dem Teilnehmer aufgezeichnet, dass es bei der Protrusion wichtig ist, dass der interinzisale Winkel stimmt. Als ich abends in einem Gasthaus mit dem Kursteilnehmer saß, fragte dieser: „Diese Dame, die mit Ihnen dabei ist, ist gewiss mit der Fachzahnarztausbildung schon fertig.“ Und ich sagte: „Jaja, die ist jetzt seit 2 Jahren fertig.“ Das hat mich auch beeindruckt, wie die Mitarbeiterinnen in der täglichen Praxis eine Reihe von Dingen aufnehmen. Da konnte ich ja jetzt nicht sagen, die ist Helferin (lacht).

Akademie: Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Ihnen alles Gute.

 

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