Zahnärztliche Akademie

Namen

2006-2020

Die Quellen:

Im Gespräch mit dem Stellvertretenden Direktor, Dr. Andreas Bartols, M.A.

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Der Stellvertretende Direktor, Dr. Andreas Bartols, M.A., bei der Karlsruher Konferenz 2019 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Vom Fleck weg eingestellt

Akademie: Herr Dr. Bartols, Sie sind im Jahr 2006 in die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe eingetreten – wie kam es dazu?

Dr. Andreas Bartols: Nach dem Ende des Studiums im Jahr 2005 habe ich übergangsweise in der Zahnarztpraxis im Nachbarort der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, als Assistent gearbeitet. Schon als Schüler habe ich dort meine Praktika und später meine Schul- und Semesterferien verbracht – ich habe die praktische Ausübung der Zahnheilkunde sozusagen schon als Jugendlicher eingeatmet.

Akademie: Wie ging es weiter?

Dr. Andreas Bartols: Dem Kollegen und mir war klar, dass ich für meine Assistenzzeit an eine andere Stelle weiterziehen muss. Deshalb habe ich mich deutschlandweit auf unterschiedlichste Assistentenstellen beworben und bei einer Reihe von Vorstellungsgesprächen verschiedene Zahnarztpraxen kennengelernt. Dann kam der Kollege mit der ZM in der Hand auf mich zu und sagte mir, dass die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe eine Assistentenstelle ausgeschrieben habe und ich mich da unbedingt bewerben müsse. Er selbst hatte in der Akademie das Gutachtercurriculum absolviert und war davon sehr angetan. Also habe ich mich bei der Akademie beworben. Prof. Heners hat mich per Handschlag vom Fleck weg eingestellt und Anfang des folgenden Monats ging‘s dann los in der Akademie …

Dr. Andreas Bartols, M.A., bei der Herbstkonferenz 2016 in Baden-Baden (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Leitung der Poliklinik

Akademie: Seit 2018 sind Sie der Stellvertretende Direktor der Zahnärztlichen Akademie – welche Aufgaben hat der Stellvertretende Direktor?

Dr. Andreas Bartols: Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt in der Leitung der Poliklinik und der praktischen Behandlung von Patienten. Als Stellvertretender Direktor sehe ich meine Aufgabe darin, den Direktor bei Krankheit oder im Urlaub in seinen Amtsgeschäften zu vertreten. Außerdem bin ich verantwortlich in der Wissenschaft der Akademie aktiv. Das betrifft vor allem den Bereich der Versorgungsforschung, die mir ein wichtiges Anliegen ist. Hier haben wir in den vergangenen Jahren an zwei großen internationalen Projekten mitgearbeitet, nämlich an der ADVOCATE Studie und dem Dent@Prevent-Projekt. In beiden Projekten habe ich die praktische Studiendurchführung auf der Arbeitsebene in der Akademie verantwortet.

Außerdem vertrete ich den Fachbereich Endodontie in unserer Fortbildung mit unterschiedlichen Formaten wie dem Kurs „Endodontische Chirurgie und die Revision endodontischer Behandlungen“, dem „Endo-Simulatorkurs“ sowie immer wieder in praktischen Live-Demonstrationen in der „Offenen Sprechstunde Endodontie“. Offene Sprechstunde

Dr. Andreas Bartols, M.A., bei der Wurzelkanalbehandlung (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Es geht um die Bearbeitung biologischer und technischer Probleme

Akademie: Sie verantworten an der Akademie den Fachbereich Endodontie und erhalten regelmäßig auch Überweisungsaufträge von externen Zahnärzten zur Durchführung von Wurzelkanalbehandlungen – was sind das für Fälle?

Dr. Andreas Bartols: Im Wesentlichen kann man zwei Arten von Fällen unterscheiden: Das eine sind Patienten, bei denen im Zusammenhang mit Wurzelkanalbehandlungen biologische Probleme aufgetreten sind oder fortbestehen, oder aber es handelt sich um Patienten, bei denen technische Probleme bei der Behandlung aufgetreten oder zu erwarten sind. Allen Fällen ist gemein, dass eine Behandlung mit den üblichen Mitteln der Zahnarztpraxis ausgeschöpft ist und erweiterte Ausstattung und Expertise gefragt sind.

Akademie: Okay, das verstehe ich.

Dr. Andreas Bartols: Generell kann man sagen: Die technischen Probleme lassen sich so gut wie immer auf die eine oder andere Art lösen, die biologischen nicht immer. Ein übliches biologisches Problem sind beispielsweise fortbestehende Entzündungen an bereits wurzelkanalbehandelten Zähnen. Eine häufige Ursache hierfür ist eine anatomische Variante, bei der mehr Wurzelkanäle vorliegen, als zunächst vermutet. In diesen Fällen muss die Diagnostik mit dem DVT erweitert und die anatomische Variante im 3D-Röntgenbild sichtbar gemacht werden. Anschließend kann der Zahn erneut wurzelkanalbehandelt werden. Ein anderes gefürchtetes biologisches Problem sind die Folgen von Zahntraumata. Hier sind sehr häufig junge Patienten betroffen, die den Verlust ihres Zahnes befürchten müssen. Bei einem Zahntrauma gelten im Vergleich zu „normalen“ Wurzelkanalbehandlungen etwas andere Gesetze, weil die Ausgangslage meist sehr viel komplexer ist und im Laufe der Zeit trotz optimaler Therapie erneute biologische Komplikationen auftreten können.

Bei den technischen Problemen geht es sehr häufig um schlecht erkennbare Wurzelkanäle. Diese sind dann meistens stark verengt. In diesen Fällen hilft das OP-Mikroskop, die Strukturen im Zahninneren sichtbar und dann mit entsprechendem Spezialinstrumentarium behandelbar zu machen. Manchmal muss aber auch „einfach nur“ ein bei einer Behandlung frakturiertes Wurzelkanalinstrument entfernt werden, um die Behandlung abschließen zu können. Auch hier benötigt man das OP-Mikroskop und die richtige Ausstattung. Also: Das Behandlungsspektrum erstreckt sich über alle denkbaren Bereiche der Endodontie bis hin zu solch innovativen Methoden wie regenerativer Endodontie oder, wann immer möglich, sogar die Vermeidung der Wurzelkanalbehandlung.

Kontrolle der Arbeitsschritte im Endodontie-Kurs 2015 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Viele der Lösungen sind eigene Entwicklungen

Akademie: Sie sind auch als Referent an der Zahnärztlichen Akademie tätig – verfolgen Sie hier besondere Fortbildungskonzepte?

Dr. Andreas Bartols: Ich vertrete das Fach Endodontie in der Poliklinik und in der Fortbildung in der Akademie. Das bietet die außergewöhnliche Möglichkeit, die praktischen Erfahrungen aus der Patientenbehandlung in der Poliklinik und dem bei uns generierten Wissen aus unseren wissenschaftlichen Untersuchungen mit der Fortbildung zu verbinden. Konkret heißt das: Wir werten unsere Erfahrung aus der Patientenbehandlung konsequent wissenschaftlich aus. Unsere Empfehlungen in der Fortbildung sind damit nicht „lediglich“ erfahrungsbasiert, sondern immer auch zugleich wissenschaftlich evaluiert. Bei den Fortbildungsformaten findet das in meinem Fall insbesondere Ausdruck in zwei Kursen. Nämlich die „Endodontische Chirurgie und die Revision endodontontischer Behandlungen“ und der „Endo-Simulatorkurs“.

In beiden Kursen geht es um praktische Lösungen von endodontischen Problemen, die ich nicht einfach nur persönlich gut finde, sondern deren Wirksamkeit und Effizienz wir hier selbst wissenschaftlich nachgewiesen haben. Insbesondere im Endo-Simulatorkurs wird der komplette Workflow der endodontischen Therapie am klinischen Arbeitsplatz mit OP-Mikroskop und speziellen Trainingsmodellen nachvollzogen. Viele der Lösungen sind dabei eigene Entwicklungen.

Ein Arbeitskurs im Jahr 2014 mit Dr. Andreas Bartols, M.A. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Die Versorgung mit der wissenschaftlichen Brille betrachtet

Akademie: Sie sind seit Jahren wissenschaftlich tätig. Ich habe mitbekommen, dass die Habilitation bereits eingereicht ist – um was ging es in dem Vorhaben?

Dr. Andreas Bartols: Mein Habilitationsprojekt beschäftigt sich mit der Endodontie. Ausgangspunkt war eine Innovation aus dem Jahr 2011. Schon zuvor hatte eine wissenschaftliche Publikation meine Aufmerksamkeit geweckt. Darin wurde beschrieben, wie mit nur einem Wurzelkanalinstrument der gesamte Wurzelkanal präpariert wird – ohne Instrumentenwechsel, ohne Instrumentensequenz. Mir war damals sofort das damit verbundene Effizienzpotenzial klar: Wäre es möglich, mit vergleichsweise „einfachen“ Mitteln, die bisher als eher kompliziert geltende endodontische Therapie neu zu organisieren? Bei Erscheinen der Publikation gab es noch keine entsprechenden Instrumente auf dem Markt. Das änderte sich mit der IDS im Jahr 2011: Zwei Hersteller kamen mit reziprok betriebenen Ein-Feilen-Systemen auf den Markt. Wie vielen anderen Praktikern war auch mir sofort klar, dass sich mit diesen Systemen viele Probleme lösen lassen würden, die die endodontische Therapie bis dahin eher anstrengend gemacht haben. Es gab darüber aber so gut wie keine Wissenschaft.

Daher haben wir in den folgenden Jahren das Reciproc-System unter den Bedingungen der routinemäßigen Praxis, aber auch hinsichtlich verschiedener anwendungsbezogener Parameter und entsprechender Kennzahlen für erfolgreiche Therapie untersucht. Nachwuchsakademie

Ein Teil der Studien für die Habilitation waren dabei Versorgungsforschungsstudien. Kurz gesagt kommt meine Habilitation zu dem Schluss: Reciproc-Instrumente machen die Therapie effizienter, worunter der Behandlungserfolg keinesfalls leidet. Im Gegenteil, die im Schnitt schnellere Therapie kommt den Patienten entgegen und der Erfolg ist sogar noch etwas höher als mit älteren Methoden, die aber zweifelsohne bereits sehr erfolgreich waren. Dazu können deutlich mehr Behandlungen durchgeführt werden, die technisch früher nicht ohne weiteres durchführbar waren.

Dr. Andreas Bartols, M.A., im Endodontie-Workshop 2019 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Die Endodontie der Zukunft

Akademie: In vielen Publikationen werden schon seit Jahren hohe Erfolgsraten bei endodontischen Behandlungen ausgewiesen - wo sehen Sie in der Endodontie überhaupt noch Verbesserungsbedarfe?

Dr. Andreas Bartols: Sie haben Recht – es wurden hohe Erfolgsquoten für das althergebrachte Paradigma der Wurzelkanalbehandlung nachgewiesen. Dieses lautet vereinfacht: Der Kanal wird erweitert und so zugänglich gemacht, dass die darin enthaltenen Gewebe entfernt werden können und der Kanal anschließend desinfiziert werden kann. Die Instrumente, die dafür zur Verfügung stehen, sind inzwischen vermutlich derart optimiert, dass wesentliches weiteres Innovationspotenzial kaum zu erwarten ist. Daher benötigen wir meines Erachtens einen Paradigmenwechsel: Weg von der Kanalerweiterung, hin zu schonenderen Verfahren, regenerativen Verfahren oder besser noch zur Verhinderung der Instrumentierung der Wurzelkanäle. Wie wäre es zum Beispiel, wenn ein Wurzelkanal gar nicht mehr instrumentiert und erweitert werden muss, um zuverlässig desinfiziert werden zu können?

Akademie: Das würde mir gefallen.

Dr. Andreas Bartols: Das wäre auch bedeutend schonender und es würde sehr viel mehr Zahnstruktur erhalten werden können. Und wenn wir dann im Anschluss auch noch die Pulpagewebe wiederherstellen könnten, damit der Zahn wieder die ursprüngliche Integrität aufweist, das wäre doch phantastisch. Immerhin können wir bereits heute in manchen Fällen Teile der Pulpagewebe bewahren, obwohl eine tiefe Karies den Zahn beschädigt hat und die Pulpa bereits teilweise betroffen ist. Hierfür werden moderne bioaktive Materialen aus der Gruppe der kalziumsilikat-basierten Materialien verwendet. In diesem Bereich der Endodontie wird derzeit sehr darum gerungen, Behandlungsprotokolle zu finden, die trotz einer Beschädigung der Pulpa einen teilweisen Erhalt von Pulpagewebe ermöglichen und zudem erfolgreich sind.

Akademie: Und was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Dr. Andreas Bartols: In der nahen Zukunft werden wir uns sicherlich weiterhin verstärkt mit den neuen bioaktiven Materialien auseinandersetzen. Hier liegt einiges Potenzial zum Erhalt von Pulpagewebe und der Vermeidung von Wurzelkanalbehandlungen. Die entsprechenden Therapieverfahren zur Normalität werden zu lassen, bedarf allerdings eines breiten Paradigmenwechsels in der Zahnärzteschaft. Diesen mitzugestalten will ich gerne mithelfen. Außerdem ist die Regeneration der Pulpengewebe ein faszinierendes Kapitel der Endodontie. Ich beobachte die bisher verfolgten Ansätze hierzu mit großem Interesse und wissenschaftlicher Neugier. Entsprechende Verfahren in der Zukunft in der Akademie zu etablieren, halte ich für sehr lohnenswert.

Akademie: Vielen Dank für das Interview!

 

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