Zahnärztliche Akademie

Namen

2020

Die Quellen:

Der neue Direktor, Priv.-Doz. Dr. Daniel Hellmann, steht Rede und Antwort

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Professor Walther und sein Nachfolger Priv.-Doz. Dr. Hellmann (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Akademie: Herr Priv.-Doz. Dr. Hellmann, Sie wurden zum neuen Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung berufen. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch! - Wann geht es offiziell los?

PD Dr. Hellmann: Herzlichen Dank für Ihre Glückwünsche, Herr Kollege Brauer. Mein offizieller Eintritt in die Dienste der Akademie wird am 01. Oktober 2020 sein. Von diesem Zeitpunkt an werden Professor Walther und ich für sechs Monate gemeinsam die Geschicke der Akademie lenken. Ich bin dem Vorstand der Landeszahnärztekammer und Herrn Walther sehr dankbar, dass man sich für diesen Weg entschieden hat. Da ich von extern direkt in die Führungsebene der Akademie eintrete, ist es ein großes Glück für mich, dass ich mich für ein halbes Jahr in mein neues Tätigkeitsfeld einarbeiten kann und vom reichen Erfahrungsschatz meines Vorgängers profitieren darf.

Ab dem 01. April 2021 geht die Verantwortung dann offiziell vollständig in meine Hände über. Man hat mich aber auch schon vor meinem offiziellen Antritt mit offenen Armen empfangen. Ich hatte bereits die Möglichkeit, einen großen Anteil der Belegschaft kennenzulernen und mich mit einigen Abläufen im Haus vertraut zu machen. Die gewonnenen Einblicke haben meine Freude auf den bevorstehenden Start noch einmal deutlich verstärkt. 

Kurs im Jahr 2019 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Akademie: Sie sind Zahntechnikermeister und habilitierter Zahnarzt. Wie kam es zu dieser eher ungewöhnlichen Abfolge von Tätigkeiten und Qualifikationen in Ihrer beruflichen Biografie?

PD Dr. Hellmann: Ich bin in dritter Generation in die Zahntechnik „hineingeboren“ worden. Als Schüler hatte ich meinen ersten Kontakt mit der praktischen zahntechnischen Arbeit in unserem Familienbetrieb. Die handwerkliche Arbeit mit dem Ziel der Versorgung von Patienten hat mir sehr viel Freude gemacht und da war es für mich naheliegend, nach dem Abitur unserer beruflichen Familientradition zu folgen. Als Auszubildender habe ich mich dann sehr schnell für die Funktion des Kauorgans interessiert. Nachdem der Weg zum Gesellen und zum Meister mir aber noch nicht die gewünschte Erkenntnis im Bereich der Funktion beschert hatte, entschloss ich mich zunächst zum Studium der Zahnmedizin und in der Folge zur Habilitation auf dem Gebiet der oralen Physiologie und funktionellen Prothetik. Leider geht es mir aber wie dem Faust:

„Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. // Da steh ich nun, ich armer Tor! // Und bin so klug als wie zuvor."

Aber, ich gebe nicht auf! Es gibt noch viel zu erforschen und zu lernen.

Dr. Daniel Hellmann zusammen mit Prof. Dr. Hans-Jürgen Schindler im Jahr 2013 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Akademie: Sie sind an der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe als Referent kein Unbekannter. Erinnern Sie sich noch an die erste Kontaktaufnahme und den ersten Fortbildungskurs oder das erste Referat an der Akademie?

PD Dr. Hellmann: Ja, sehr gut sogar. 2013 war ich das erste Mal als Referent zum Thema Funktion im Auftrag der Akademie tätig – seinerzeit noch in den alten Räumlichkeiten in der Sophienstraße an der Seite von Professor Schindler. „Erweiterte Therapieoptionen bei kraniomandibulären Dysfunktionen“ war das Thema. Ein sehr spannender Kurs mit vielen erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, zahlreichen Demonstrationen und kollegialen Diskussionen rund um die Möglichkeiten und Grenzen jenseits der Standardtherapie. Obwohl ich zu der Zeit bereits Erfahrungen als Referent an verschiedenen Kammern gesammelt hatte, war die Einladung in ein so bekanntes und traditionsreiches Haus für mich etwas Besonderes. Von Beginn an war der Kontakt mit der Akademie von Wertschätzung und Gastfreundschaft getragen und es resultierte eine andauernde Zusammenarbeit, die eine Bindung meinerseits geschaffen hat, die in meiner Bewerbung und nun schlussendlich in meinem Arbeitsvertrag mündet.

Anatomie und Physiologie der Kiefergelenke (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Akademie: Was sind Ihre persönlichen Schwerpunkte und Ziele in Klinik und Wissenschaft?

PD Dr. Hellmann: Auf der Basis meiner Ausbildung bin ich natürlich durch und durch Prothetiker mit einem Fokus auf der funktionellen und restaurativen Rehabilitation. Meine wissenschaftliche Arbeit widme ich seit jeher dem Studium der oralen Physiologie, den funktionellen Zusammenhängen des kraniomandibulären Systems mit der Körperhaltung und der Überprüfung alter prothetischer Dogmen. In den vergangenen Jahren staune ich immer wieder über die Entwicklungen und Veränderungen im Denken und Handeln der weiteren Disziplinen innerhalb der Zahnmedizin. In der Prothetik haben sich - überspitzt gesagt - in den letzten 70 Jahren mehr oder weniger nur die eingesetzten Materialien geändert. Wir wissen heute, dass die klassischen Vorstellungen der Prothetik über die Funktion des Kauorgans nur sehr wenig mit der tatsächlichen Physiologie gemein haben. Viele unserer Vorstellungen über die vermeintliche Wertigkeit unserer Restaurationen müssen wir daher heute kritisch hinterfragen.

Akademie: Was bedeutet das?

PD Dr. Hellmann: Wir brauchen hier die Entwicklung neuer Konzepte und deren Verbreitung, insbesondere im Hinblick auf eine hochwertige und evidenzbasierte Breitenversorgung in der Zukunft. Da die prothetische Ausbildung im Rahmen der Einführung der neuen Approbationsordnung dramatisch beschnitten wird, habe ich die Sorge, dass sich die Beachtung des Faches insgesamt rückläufig entwickeln könnte. Daher ist eines meiner Ziele, die Fortbildungsangebote der Akademie im Bereich der Prothetik zu erweitern, die wissenschaftliche Arbeit auszubauen und den Stellenwert des Faches in der öffentlichen Wahrnehmung herauszuarbeiten.

Akademie: Mit Ihrer letzten Antwort sind wir schon bei Ihren Zielen für die kommenden Jahre angelangt. Welche weiteren Ziele haben Sie für die Zukunft der Zahnärztlichen Akademie Karlsruhe?

PD Dr. Hellmann: Zunächst ist es mir wichtig, zu betonen, dass ich neben der Fortbildung und der Aufrechterhaltung des Betriebes der Poliklinik im bisherigen Umfang auch die weiteren Tätigkeitsfelder, zum Beispiel in der Versorgungsforschung und der Entwicklung unserer Profession, weiter vorantreiben möchte. Die Landeszahnärztekammer hat in den vergangenen Monaten das Thema des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin in den Fokus gerückt und möchte auf diesem Sektor Entwicklungsarbeit leisten. In einem ersten Gespräch zum Thema habe ich von Herzen meine Bereitschaft signalisiert, dass sich die Akademie hier aktiv beteiligen könnte.

Aber nicht nur meine persönlichen Ideen und Ziele sollten im Vordergrund stehen. In zahlreichen Mitarbeitergesprächen in den vergangenen Wochen wurde mir sehr schnell bewusst, dass die Stärke der Akademie in der im Haus beheimateten Vielseitigkeit und Kreativität liegt, die durch die vielen hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getragen wird. Das wertvolle Engagement und die Hingabe dieser Menschen resultieren aus einer hohen intrinsischen Motivation.

Mein Ziel ist es, wie es auch bisher schon gute Tradition war, dem Streben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den gebotenen Raum zu geben sowie Nachwuchs für die Akademie zu gewinnen und zu fördern. Zu starre Zielvorstellungen des Direktors bedeuten meiner Meinung nach eine Einschränkung. Es ist nicht an mir allein, die Ziele für die Akademie zu definieren. Die Institution und ihre Belegschaft bilden den Rahmen – das Bild der Zukunft werden wir innerhalb der Akademie gemeinsam gestalten.

Eines der zahlreichen Online-Seminare zu Beginn der Corona-Pandemie zusammen mit Prof. Dr. Winfried Walther (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Akademie: Während der Corona-Pandemie hatte die Akademie ihr Fortbildungsangebot an Online-Fortbildungen und Online-Seminaren ausgebaut. Ist dies neben der Präsenzfortbildung ein Format, das zukunftsträchtig ist?

PD Dr. Hellmann: Diese Frage wird die Zukunft beantworten. Die jüngeren Kolleginnen und Kollegen haben einen anderen Zugang und Umgang mit digitaler Kommunikation und Online-Fortbildungsangeboten und pflegen eine andere Work-Life-Balance als frühere Generationen. Ob diese und andere Gründe einen generellen Aufwind für das Online-Segment in der Zukunft bringen werden, bleibt abzuwarten. Sollte sich der Wunsch nach Online-Angeboten verstärken, werden wir diesem gerecht werden. Der Mensch ist aber ein soziales Wesen – die jüngste Vergangenheit hat uns allen gezeigt, wie sehr wir den Kontakt zu anderen Menschen brauchen. Daher bin ich mir sicher, dass die Akademie für meine Dienstzeit als Ort von Präsenzfortbildung mit den Vorzügen der Gastlichkeit, der persönlichen Begegnung und des damit verbundenen kollegialen Austausches für die Kolleginnen und Kollegen attraktiv bleiben wird.

Akademie: Jetzt noch eine letzte Frage, die sicher auch die Karlsruher Öffentlichkeit interessiert. Michael Heners hatte 1983 den Karlsruher Vortrag ins Leben gerufen. Winfried Walther führte diese Tradition fort. Beabsichtigen Sie ebenfalls, diese Veranstaltung weiterzuführen?

PD Dr. Hellmann: Die Akademie pflegt viele wertvolle Traditionen. Herausragend ist hier sicherlich der Karlsruher Vortrag „Mund auf“. Der zugrundeliegende Gedanke, dass sich ein Berufsstand zu seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft als Ganzes bekennt, sollte meiner Meinung nach generell Schule machen. Unsere Zeit ist geprägt durch eine schier nicht mehr zu verarbeitende Informationsflut, maßgeblich bestehend aus Kurznachrichten, unter denen sich nicht selten auch „alternative Fakten“ befinden.

Entgegen diesem allgemeinen Trend bietet der Karlsruher Vortrag herausragenden Persönlichkeiten die Möglichkeit, sich mit der gebotenen Ausführlichkeit und Tiefe gesellschaftlich relevanten Themen widmen zu können, um auf diese Weise deren öffentlichen Diskurs zu fördern. Dies halte ich für ungeheuer wichtig und daher ein klares „Ja“ als Antwort auf Ihre Frage – der Karlsruher Vortrag „Mund auf“ wird weiterleben.

Akademie: Das wird sicher viele Freunde des Karlsruher Vortrags freuen zu hören. Vielen Dank auch für das Interview!

 

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