Zahnärztliche Akademie

Aufgelesen - Dinge, die etwas bedeuten

1984

Die Quellen:

Beitrag „Befundblatt zur Befunddokumentation und prothetischen Therapiefindung“ von Michael Heners und Winfried Walther aus dem Jahr 1984

„Zusammen mit den Röntgenbildern und den Planungsmodellen bildet es die Dokumentation für eine systematisch gefundene Therapie. Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz dieses Hilfsmittels ist jedoch, daß der Zahnarzt seine Therapie nicht am Behandlungsstuhl entscheidet, sondern der prothetischen Therapiefindung, losgelöst vom klinischen Betrieb, einen besonderen zeitlichen Einsatz einräumt. Auf diese Weise kann erreicht werden, der vielfältigen Problematik, die dem Ersatz von Zähnen innewohnt, mit der erforderlichen Sicherheit gerecht zu werden.“

Jetzt durchblättern:

Die Therapieplanung

von Dr. Anne Behle, M.A.
Dr. Anne Behle, M.A., in der oralchirurgischen Praxisklinik, die sie mit Dr. Jan Behle, M.S. gemeinsam führt. (Quelle: Praxisklinik Behle)

Die Wirklichkeit fernab des Lehrbuchs

Direkt nach dem Staatsexamen herrscht wohl bei nicht wenigen Zahnmedizinern der Eindruck vor, dass man nun, da das anspruchsvolle Studium der Zahnheilkunde endlich geschafft ist, die ganze Zahnmedizin beherrscht.

Schnell jedoch stellt man fest, dass es eine zahnmedizinische Welt fernab der vorgegebenen prothetischen Fälle des klinischen Studiums gibt, in denen nicht alles klar und eindeutig vorbestimmt ist. Im Rahmen der universitären Ausbildung hat die Therapieplanung einen geringen Stellenwert.

Dr. Anne Behle in der Arztbesprechung im Jahr 2005 mit Prof. Dr. Dr. Alfons J. Erle und Dr. Florian Troeger (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Systematik ist das A und O

Die systematische Therapieplanung habe ich während meiner zahnärztlichen Tätigkeit in der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe kennen und schätzen gelernt. In der Poliklinik der Akademie wird seit 1984 die integrierte Therapieplanung systematisch angewendet. Quelle: Befundblatt

Der Therapieplanungskurs ist nicht grundlos ein wichtiger Baustein der Curricula Implantologie, integrierter Zahnheilkunde und Parodontologie.

Während meiner Tätigkeit an der Akademie hatten wir einmal wöchentlich abends eine Arztbesprechung, bei der komplexe Behandlungsfälle und deren Therapieoptionen anhand des Therapieplanungsbogens intensiv erarbeitet worden sind. ARZTBESPRECHUNG

Wo immer in der Akademie Patienten-Fallbesprechungen stattgefunden haben, basierte dies auf der systematischen Therapieplanung. In diesem Rahmen werden zahlreiche Befunde erhoben und in ein Befundblatt eingetragen, der Kronenbefund, Lockerungsgrade, die Vitalität, parodontale Befunde Sichtbarkeit der Gingiva und die Bedeutung der Zähne für den Patienten. In dem von der Akademie entwickelten Befundbogen werden die Einzelbefunde systematisch geordnet und übersichtlich erfasst. Anfänglich ist diese Erfassung sehr zeitaufwendig und mühsam, aber sie lässt sich ganz schnell in den zahnärztlichen Alltag integrieren und wird dann nicht nur zur Selbstverständlichkeit, sondern ein unverzichtbares Instrument der Therapieplanung.

Am Ende hat man von jedem Patienten in relativ kurzer Zeit einen vollständigen Befund erhoben, sodass eine systematische Therapieplanung erfolgen kann. Anhand des Befundblattes, zusammen mit den Röntgenbildern und den Planungsmodellen kann  nun eine fundierte systematische Therapie erarbeitet werden. Die zwei Kernschritte in der Systematik sind die individuelle Beurteilung jedes einzelnen Zahnes in puncto Erhaltungsfähigkeit (positiv, fraglich, negativ) und die Beurteilung der Erhaltungswürdigkeit (Macht der Erhalt Sinn?) im Rahmen unterschiedlicher möglicher Therapie-Optionen. Die Patienten erwarten klare Aussagen zu ihrem Zahnstatus und den Behandlungsoptionen, sie sind häufig gewohnt, dass dies sofort nach der zahnärztlichen Untersuchung erfolgt.

Wir haben die komplexen Patientenfälle nicht direkt am Behandlungsstuhl gelöst, sondern abends abseits des Klinikbetriebes die Befunde genau ausgewertet und einen fundierten prothetischen Therapieplan erarbeitet. Dabei ist uns immer wieder vor Augen geführt worden, wie wichtig die Erhebung der zahlreichen Befunde ist, und dass es auch für einen erfahrenen Praktiker wichtig ist, keine Befunde auszulassen und erst dann die prothetische Planung zu erstellen.

In der Arztbesprechung haben wir anhand des Befundblattes, intraoralen Fotos, Modellen und Röntgenbilder die Fälle vorgestellt,  unsere erarbeiteten Behandlungsoptionen dargestellt, die von uns präferierte Behandlungsoption begründet und vor dem Plenum verteidigt. Ich erinnere mich auch, dass nicht immer sofort die finale prothetische Versorgung geplant werden konnte, da zunächst das Ergebnis einzelner präprothetischer Therapien abgewartet werden musste (z.B. Parodontaltherapie, endodontische Maßnahmen, etc.). Diese Fälle wurden dann im Verlauf erneut besprochen. Es ist für Patienten oft schwierig zu verstehen, dass Therapien nicht von Anfang an ganz klar vordefiniert sein können, da sie sich ein schnelles Ergebnis wünschen.

Beim Start des Masterstudiengangs 2005-2007 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Festsitzender oder herausnehmbarer Zahnersatz?

Mir ist ein Fall einer jungen weiblichen Patientin in Erinnerung, die sich unbedingt festsitzenden Zahnersatz wünschte, eine parodontal sehr weit fortgeschrittene Erkrankung aufwies und für Implantate nicht die finanziellen Mittel hatte. Es entstand das Dilemma, dass wir der Patientin ihren Wunsch erfüllen wollten, dies aber technisch zunächst nicht möglich schien. Wir haben dann eine umfangreiche parodontale Therapie durchgeführt, durch ein enges Recall und sehr gute Compliance seitens der Patientin ein unglaublich gutes Ergebnis erreicht. So konnten wichtige, zuerst fragliche Pfeilerzähne erhalten werden und die Patientin konnte mit konventionellen Brücken versorgt werden. In solchen Momenten ist uns allen bewusst geworden, wie wichtig die Auswertung und Integration aller Befunde ist.

Dr. Jan Behle, M.S., und Dr. Anne Behle, M.A., bei der Herbstkonferenz in Ettlingen (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Auch in der oralchirurgischen Überweisungspraxis einsetzbar

Ich bin nun zusammen mit meinem Mann, Dr. Jan Behle, M.S., in eigener Praxis in einer rein oralchirurgisch Überweisungspraxis tätig. Mein Mann hat auch lange Zeit in der Poliklinik in Karlsruhe gearbeitet. Da wir beide die systematische Therapieplanung in unser tägliches Handeln integriert haben, ist diese für unsere tägliche Arbeit unverzichtbar. Bei fachlichen Gesprächen bzgl. einer komplexen Therapieplanung ist unsere Grundlage der Befundbogen der Akademie.
Die systematische Therapieplanung, wie sie in der Akademie gelehrt und gelebt wird, ist ein äußerst wirkmächtiges Werkzeug, das im zahnärztlichen Alltag und auch bei außergewöhnlichen Fällen gleichermaßen ein sicheres Fundament für das weitere Handeln bietet.

 

Weitere Informationen:

Please select a page template in page properties.