Fortbildungsprogramm 2018 - Curriculum Hypnose
„Während der Trance wird der Puls langsamer, der Blutdruck fällt, die gesamte Muskulatur entspannt sich. Diese Entspannung des Patienten erleichtert den Zugang zum OP-Gebiet, dadurch kann der Zahnarzt ohne große Unterbrechung arbeiten. Im Curriculum „Zahnärztliche Hypnose“ lernen Sie, Hypnose in der Praxis für Ihre Patienten einzusetzen.“
Bilder mit Dr. Ingwert Tschürtz, M.A. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)
Zur BildergalerieHerr Hermann: Herr Dr. Tschürtz, die Akademie für zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe feiert den 100. Geburtstag. Was wünschen Sie denn dem Jubilar zu diesem runden Fest?
Dr. Tschürtz: Dass diese ganz besondere Einrichtung auch weiterhin ein Zentrum für unabhängige Köpfe, für Querdenker und neue Ideen bleibt. Die Begegnungen und Anregungen gingen - bei aller unbestrittenen hohen Qualität des eigentlichen fachlichen Angebots - auch immer über die zahnmedizinische Dimension hinaus in die Politik, die Wirtschaft und viele andere Bereiche mehr. Nicht nur im eigenen Saft schmoren, immer von außen neuen Input bekommen: Das halte ich für ganz wichtig.
Herr Herrmann: Wie kommt man denn überhaupt als schwäbischer Zahnmediziner dazu, sich mit so viel Herzblut für eine badische Einrichtung einzubringen?
Dr. Tschürtz: Nach meiner Praxiseröffnung 1993 in Schwäbisch Gmünd meinte meine damalige Mitarbeiterin, eine Fortbildung zum Thema Abrechnung wäre ganz nützlich. Die gab's bei der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, und wir sind dann auch gemeinsam hin. Ich hatte etwas blauäugig vorab kein Hotelzimmer organisiert - und auch kurzfristig keines gefunden; so fuhren wir am Abend zurück und am Morgen wieder hin. Das hat sich dann auch später so eingespielt ... und es hat sich gelohnt.
Herr Hermann: Es blieb nicht bei diesem Kurs?
Dr. Tschürtz: Nein. Es kamen dann nach und nach weitere Veranstaltungen dazu, zum Beispiel zunächst der Gutachterkurs. Die Qualität der Weiterbildungsangebote und die Atmosphäre an der Einrichtung lernte ich schnell schätzen. Ich darf ruhig sagen: Die Akademie ist für mich meine persönliche berufliche Heimat geworden. Ich kann heute kaum noch zählen, wie oft ich dort Angebote wahrgenommen, interessante Menschen getroffen und auch selbst mich mit neuen Inhalten eingebracht habe. Besonders Prof. Dr. Michael Heners und Prof. Dr. Winfried Walther haben mich neben anderen Persönlichkeiten beruflich geprägt, als Impulsgeber für den wissenschaftlichen Austausch, für den Blick über den Tellerrand hinaus, für die Entwicklung unseres Berufsstands und für die Kollegialität innerhalb unserer Berufsgruppe.
Herr Hermann: Naja, das mag ja auch daran liegen, dass sie selbst immer ein quirliger, neugieriger und niemals selbstzufriedener Mediziner waren und sind ...
Dr. Tschürtz: Ja, das mag stimmen. Mein abgeschlossenes Medizinstudium und mein abgeschlossenes Studium der Zahnmedizin habe ich nie so gesehen, dass ich damit schon weitgehend fertig qualifiziert bin. Da geht es dann ja erst im Grunde so richtig los; das kann ich übrigens auch unseren neuen Berufsstartern nur nachdrücklich genug ans Herz legen.
Herr Hermann: Wie ging es denn weiter?
Dr. Tschürtz: Da ist alles gar nicht zu nennen. Schon zu Beginn meiner Praxistätigkeit merkte ich, dass es sinnvoll ist mich mit psychologischen und psychosomatischen Fragen zu beschäftigen. So startete ich bereits 1994 bei der DGZH (Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose) meine Ausbildung in Hypnose und wurde später Trainer und Supervisor für zahnärztliche Hypnose. Nach weiteren Kursen in der Akademie erhielt ich im Oktober 2003 die Mitgliedsurkunde zur Karlsruher Konferenz; im Herbst 2007 begannen meine Masterstudien. 2009 folgte das Abschlusskolloquium zum Master of Integrated Practice in Dentistry. Während dieser Ausbildung in der Akademie bekam ich öfters Fragen über Hypnose.
Herr Hermann: Was fasziniert Sie an der Hypnose oder Hypnosetherapie?
Dr. Tschürtz: Zunächst einmal muss man wissen, dass viele Menschen, sobald sie in ihrer Gesundheit eingeschränkt sind und sich in eine Arztpraxis, Rettungsdienst oder Krankenhaus begeben müssen, sich in einem Ausnahmezustand befinden. Dies geschieht umso mehr, wenn die Angst vor dem was geschieht, vor dem Ungewissen, sich mit Schmerz paart. Dann entstehen innere negative Phantasien, manchmal Horrorbilder, die die Realität verzerren und oft in panischen körperlichen und psychischen Reaktionen enden. Diesen Zustand nennt man „Dystrance“. Durch sicheres Handeln verbunden mit geeigneten kommunikativen Techniken, kann der Zustand der Dystrance in einen Normalzustand oder besser noch in einen guten Trancezustand („Eutrance“) überführt werden.
Herr Hermann: Ist dieses auch in einer Zahnarztpraxis beobachtbar?
Dr. Tschürtz: Natürlich, der Patient kommt mit Schmerzen, hat oft entsprechende negative Vorerfahrungen oder Horrorberichte von Verwandten oder Freunden und weiß in seiner Phantasie genau wie „schlimm“ seine Behandlung ablaufen wird. All dieses begünstigt seine Dystrance. Die auch für ein geübtes Auge äußerlich sichtbar ist. Um nun durch geeignete Kommunikation hier intervenieren zu können, ist es wichtig, zunächst das Wesen der Hypnose, die Induktion von Trance, zu kennen und anzuwenden.
Herr Hermann: Und sie brachten sich als Hypnose-Spezialist ein?
Dr. Tschürtz: Ja, das hat mir auch besondere Freude bereitet. Schon 2013 konnte ich ein Schnupperseminar anbieten, am 9. Mai 2014 startete dann ganz offiziell mit dem Hypnose H1 Kurs das Hypnosecurricula an der Akademie.
Herr Hermann: Da fiel der Einsatz von Hypnose in der Zahnmedizin noch nicht überall auf fruchtbaren Boden?
Dr. Tschürtz: Nein, das stimmt. Dieser Schwerpunkt wird in der breiten, öffentlichen Diskussion ja von ganz skurrilen und esoterischen Bildern und Vorurteilen begleitet. Ich freue mich, dass wir hier heute das Thema dort haben, wo es tatsächlich hingehört, wirkt und seinen sinnvollen Einsatz hat: als eine wichtige Form der Kommunikation in der medizinischen Behandlung zum Wohle der Patienten und der Praxis.
Herr Hermann: Dieses Engagement war dann auch einer der Gründe für Ihre Auszeichnung mit dem Walther-Engel-Preis auf der Karlsruher Konferenz im März 2017 ...
Dr. Tschürtz: Ja. Das hat mich auch sehr gefreut und berührt. In der Laudatio wurde vor allem auch der wissenschaftliche Gedankenaustausch unterstrichen, um den ich mich in meiner Arbeit bemüht habe. Dass dieses Denken über die Grenzen hinweg mit dieser Preisverleihung gewürdigt wurde, bedeutet mir besonders viel.
Herr Hermann: Denken über die Grenzen: Ist dies eine der Eigenschaften, die Sie einer guten Zahnmedizinerin oder einem guten Zahnmediziner abverlangen?
Dr. Tschürtz: Oh ja, unbedingt. Und ich will es ganz konkret auf drei weitere Begriffe bringen, die für mich einen guten Zahnarzt ausmachen: Präzision, Empathie und Neugierde.
Herr Hermann: Und was geben Sie einer Berufsanfängerin oder einem Berufsanfänger heute mit auf den Weg?
Dr. Tschürtz: (überlegt)
1. Kommuniziere mit deinen Patienten offen und ehrlich. Eine gute Kommunikation ist das A und O. Unser Beruf hat ja sehr viel mit Intimität und Vertrauen zu tun. Und hier entscheidet eben die Art der Kommunikation.
2. Wer diese gute Kommunikation ganz grundsätzlich pflegt, bekommt auch gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sein Team. Und das ist ebenso wichtig.
3. Bilde dich dein ganzes Berufsleben über kontinuierlich weiter.
4. Decke alle Grundbausteine deiner Praxisarbeit möglichst selber ab, damit Du sie besser delegieren kannst.
Herr Hermann: Zum Einstieg in unser Interview konnten sie der Zahnärztlichen Akademie Glückwünsche überbringen. Zum Abschluss die Frage andersrum an Sie: Was würden Sie sich denn heute wünschen?
Dr. Tschürtz: Dass wir gemeinsam noch mehr junge Menschen für die oben genannten Ziele und Ideen der Akademie begeistern können. Dass wir den interkollegialen Austausch sowohl für die zahnmedizinischen Inhalte wie auch für die Praxisorganisation intensivieren. Dass die Akademie diesen unvergleichlichen Mix als Lehr-, Behandlungs- und Begegnungsort weiter aufrecht halten kann - als ein Institut, wo aus der praktischen Arbeit heraus neue Ideen wachsen.
Und noch ein klares weiteres Wort: Ich wünsche mir auch etwas mehr Lobbyismus und Positionierung unseres Berufstandes in der Öffentlichkeit. Noch immer geistern häufig völlig blödsinnige Klischees der rein effizienz- und gewinnorientierten „Raffzähne” an den Behandlungsstühlen durch die Lande, die Medien und die Politik. Und es hat mich richtig geschmerzt, als die Politik behauptete, unser Beruf sei nicht systemrelevant. Wir sind hier doch mit an der vordersten Front im Einsatz für die Menschen! Da könnten wir noch etwas PR-Arbeit brauchen.
Herr Hermann: Vielen Dank für das Interview!