Zahnärztliche Akademie

Zahnheilkunde - neue Techniken und neue Perspektiven

2013-2020

Die Quellen:

Beitrag aus dem Zahnärzteblatt Baden-Württemberg 2015, Ausgabe 6, S. 17-21 von Dr. Michael Korsch, Dr. Mathias Farack und Dr. Andreas Bartols – Umsetzung des All-on-4-Konzepts

„Im dokumentierten Fall wurde eine definitive Sofortversorgung eingegliedert, die auf vier Implantaten abgestützt war. Die Augmentation des Kiefers wurde vermieden. Durch dieses Vorgehen wurde Behandlungszeit eingespart. Es wurde mit verhältnismäßigen Mitteln innerhalb kurzer Zeit eine für den Patienten optimale Funktion wiederhergestellt.“

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Von der Karlsruher Konstruktion zum All-on-4-Verfahren

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Beispiel für eine All-on-4-Konstruktion im Oberkiefer (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)
All-on-4-Zahnersatz von frontal betrachtet (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Einleitung

Die Versorgung des zahnlosen Kiefers bzw. die zahnärztliche Therapie bei drohender Zahnlosigkeit gehört sicherlich für Patienten zu den wichtigsten zahnärztlichen Behandlungsmaßnahmen. Die Rehabilitation des zahnlosen Kiefers ist dabei auch für Zahnärzte und Zahntechniker nach wie vor eine große Herausforderung. Hier bieten sich eine ganze Reihe von Versorgungsoptionen an, die unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringen. Entscheidet man sich für eine Abstützung und Fixierung des Zahnersatzes mit Hilfe von Implantaten, ist eine Möglichkeit das sogenannte Versorgungskonzept All-on-4. Dies bedeutet, dass in einem zahnlosen Ober- und/oder Unterkiefer jeweils vier Implantate eingebracht werden und auf diesen Implantaten innerhalb nur eines Tages ein festsitzender Zahnersatz verankert wird.

Vom Konzept zur Versorgung

Bei dem All-on-4-Konzept werden nach dessen Entwickler Paulo Maló aus Lissabon unter Vermeidung von größeren Knochenaugmentationen pro Kiefer jeweils vier Implantate eingesetzt (Maló et al., 2003). Während die vorderen beiden Implantate gerade eingebracht werden, werden die zwei hinteren Implantate im Seitenzahngebiet häufig etwas schräg eingesetzt. In aller Regel erhalten die Patienten nach dem chirurgischen Eingriff innerhalb weniger Stunden oder aber am Folgetag eine festsitzende und sofort belastbare vorübergehende Versorgung. Als definitive Versorgung kann einige Wochen oder wenige Monate später beispielsweise eine „Maló-Brücke“ angestrebt werden. Dies ist eine grazile Form einer festsitzenden Prothese. Entwickelt wurde das Konzept All-on-4 bereits im Jahr 2003.

 

Das Karlsruher Vorgehen

An der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe wird dieses Verfahren seit 2013 erfolgreich angewandt. Als Besonderheit wurde an der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe das Verfahren insofern leicht modifiziert, da die Zahnersatzversorgung gleich definitiv erfolgt. Durch dieses Vorgehen muss nicht erst eine vorübergehende Versorgung angefertigt werden, die dann in der Folge durch den definitiven Zahnersatz ersetzt werden muss. Die Karlsruher Variante mit definitiver All-on-4-Sofortversorgung kann jedoch nicht am OP-Tag, sondern in aller Regel am Folgetag oder spätestens zwei Tage nach dem Eingriff eingegliedert werden. Benötigt wird diese Zeit um einen soliden Steg, der die Zahnersatzkonstruktion stabilisiert, herzustellen und einzuarbeiten. Wissenschaftlich ist an der Akademie dieses Verfahren eng mit den Namen Dr. Andreas Bartols, M.A. und Priv.-Doz. Dr. Michael Korsch, M.A. verbunden.

 

Ein Fallbericht aus der Poliklinik

Als Quelldokument für dieses noch relativ neue und innovative Behandlungskonzept dient der erste publizierte Fallbericht zum All-on-4-Verfahren aus der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. Dieser Beitrag ist im Jahr 2015 im Zahnärzteblatt Baden-Württemberg erschienen. Der vorliegende Fallbericht illustriert sehr anschaulich die oralchirurgische, zahntechnische und zahnärztlich-prothetische Behandlung eines 64-jährigen Patienten, der sich in der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe vorstellte. Es handelt sich um eine Behandlung mit einer zusätzlich besonderen zahnärztlichen Herausforderung: Der Patient ist Berufsmusiker und spielt Saxophon. Das bedeutet, dass der Behandlungszeitraum einerseits auf ein Minimum beschränkt sein sollte und andererseits eine festsitzende Zahnersatzversorgung für den Patienten essentiell war: „Das Anliegen des Patienten war aus beruflichen Gründen die Vermeidung einer herausnehmbaren Interimsversorgung über einen längeren Zeitraum.“

Die zahnärztlichen Befunde waren dergestalt, dass auch ein teilweiser Zahnerhalt einzelner Zähne nicht mehr möglich war. Die Autoren listen die jeweiligen Therapieoptionen auf. Diese reichen von der konventionellen Totalprothese, über herausnehmbare Versorgungen auf Implantaten mit unterschiedlichen Retentionselementen, auf einem Steg oder auf Teleskopen bis hin zu einer festsitzenden Versorgung auf 6-8 Implantaten sowie der dann realisierten All-on-4-Versorgung. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Therapiemöglichkeiten werden ausführlich dargestellt und gewissenhaft gegeneinander abgewogen. Für das All-on-4-Prinzip wird festgestellt:

„Es ermöglicht eine festsitzende Sofortversorgung auf vier Implantaten. Dieses Vorgehen ist chirurgisch, prothetisch und zahntechnisch sehr techniksensitiv und erfordert eine optimale logistische Zusammenarbeit zwischen Chirurg, Zahnarzt und Zahntechniker.“

Die praktische Umsetzung mit den einzelnen Arbeitsschritten wird minutiös vom Ausgangsröntgenbild bis zur Eingliederung des definitiven Zahnersatzes anhand einer Bilderserie gezeigt. In der Epikrise stellen die Autoren fest:

„Im dokumentierten Fall wurde eine definitive Sofortversorgung eingegliedert, die auf vier Implantaten abgestützt war. Die Augmentation des Kiefers wurde vermieden. Durch dieses Vorgehen wurde Behandlungszeit eingespart. Es wurde mit verhältnismäßigen Mitteln innerhalb kurzer Zeit eine für den Patienten optimale Funktion wiederhergestellt.“

Sie ziehen dabei folgendes Fazit: „Feste Zähne an einem Tag ist bei vorhandener bzw. drohender Zahnlosigkeit möglich und bietet eine sinnvolle Erweiterung im Behandlungsspektrum der Therapie des zahnlosen Kiefers.“

 

Varianten des Konzeptes

Auch werden an der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe in leichter Abwandlung des Konzeptes Implantate nicht nur in den Kieferknochen, sondern die beiden hinteren Implantate bei fehlendem Knochen im Seitenzahngebiet durch Implantate im Os zygomaticus (Jochbein) verankert. Daher auch der Name Zygomaimplantate für Implantate, die im Os zygomaticus feste Verankerung finden.

 

Bewährtes Versorgungskonzept

Das Konzept All-on-4 mit im Knochen verankerten Implantaten bzw. mithilfe von Zygomaimplantaten ist an der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe zu einem bewährten Routineverfahren für die Versorgung des zahnlosen Kiefers geworden. Die eingespielte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen Poliklinik, Oralchirurgie und dem zahntechnischen Labor gewährleistet sichere und hervorsagbare Behandlungsergebnisse.

Beispiel für eine Zahnersatzversorgung für den Oberkiefer auf vier Implantaten (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)
Zahnersatzversorgung von unten: Zu erkennen sind vier Halteelemente, die - wie von der Kleidung bekannt - auf einem Druckknopf im Implantat einrasten (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Vorgängerversionen zur Versorgung des zahnlosen Kiefers

Das Verfahren nach dem All-on-4-Konzept hat die früher häufig praktizierten Versorgungen, beispielsweise mit Druckknopfsystemen als Halteelemente weitgehend abgelöst. Die folgenden Abbildungen zeigen beispielhaft eine zahntechnische Arbeit von Laborleiter Bertold Steiner mit sogenannten Kugelkopfattachments (Druckknopfsystem), wie sie in der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe über Jahre praktiziert wurde. Auch diese Form des Zahnersatzes wurde bis auf das Wesentliche reduziert und ist somit zahntechnisch sehr grazil gestaltet. Diese Konstruktion hat ebenso eine hohe Patientenakzeptanz erreicht

Ähnlichkeiten zur Teleskopprothese

Aus dem hier dargestellten wird schnell klar, dass eine Reihe von Parallelen zur Teleskopprothese, die auf den eigenen Restzähnen verankert ist, bestehen.

Genauso wie bei der Karlsruher Konstruktion handelt es sich bei dem in All-on-4-Konzept nicht um eine Erfindung aus der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, sondern um ein bereits eingeführtes Verfahren, das im Sinne des Patienten leicht abgewandelt wurde. Bei der Karlsruher Konstruktion (grazile Teleskopprothese) ist dies der Wegfall des Gaumenbügels und der Verzicht auf sämtliche nicht nötigen Prothesenanteile und bei der All-on-4-Versorgung die „sofortige“ Eingliederung der definitiven Versorgung einen Tag nach dem operativen Eingriff. Anders formuliert: Feste Zähne ohne langes Warten.

Bei der Karlsruher Konstruktion ist genauso wie bei der All-on-4-Versorgung die passgenaue Umsetzung durch das zahntechnische Labor entscheidend.

Eine weitere Parallele ist, dass es sich bei beiden Zahnersatzkonstruktionen um ein patientenzentriertes Konzept handelt. Der Zahnersatz ist vergleichsweise eher günstig, d.h. die Kosten sind moderat. Die Ausdehnung des Ersatzes ist eher grazil. Gemeinsam ist den beiden Konzepten auch die Überlegung, dass sie dem Patienten nicht das Gefühl geben soll, er würde eine künstliche Prothese tragen.

Weitere Gemeinsamkeiten sind, dass zunächst die Teleskopprothese und auch die All-on-4-Versorgung eher als alternative Versorgungsformen galten, die mittlerweile etabliert und wissenschaftlich abgesichert sind. Auch hat die implantatprothetische Versorgung nach dem All-on-4-Konzept an der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe bereits Einbezug in Wissenschaft und Fortbildung gehalten. Die bisherigen Veröffentlichungen zum Thema sind in der Tabelle gelistet.

 

Auszug der Veröffentlichungen zu All-on-4 aus der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung (in chronologischer Reihenfolge)
Wissenschaftliche Publikationen
Korsch, Michael; Baum, Alexandra; Bartols, Andreas (2019): Postoperative discomfort after implant placement according to the All-on-4 concept with or without Zygoma implants: A prospectice clinical study. Clinical Oral Implants Research Epub Ahead of Print 24 Sept 2019
Fallberichte
Korsch, Michael; Farack, Mathias; Bartols, Andreas (2015): All-on-4-Konzept: Ein Fall aus der Praxis. KZV aktuell 11/12: 30-34
Korsch, Michael; Farack, Mathias; Bartols, Andreas (2015): Zygoma-Implantate: Sofortversorgung des zahnlosen Oberkiefers. ZBW 11: 26-31
Grizas, Eleftherios; Gentner, Sascha-Juri; Suchoroschenko, Stefan; Brauer, Hans Ulrich (2019): Sofortimplantation und Sofortversorgung nach dem All-on-4-Konzept – Ein Fallbericht zur ästhetisch-rekonstruktiven Zahnmedizin. ZWR 128(7/8): 353-360
Monographien
Peichl, Marco (2016): Die implantologische Gesamtrehabilitation des zahnlosen Kiefers nach dem All-on-4®-Konzept Evaluation der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität und Patientenzufriedenheit. Masterarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

 

Zahnarzt Marco Peichl referiert zu All-on-4 beim ICP in Amsterdam (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Das Thema der Antrittsvorlesung von Herrn Priv.-Doz. Dr. Michael Korsch, M.A., Leiter der oralchirurgischen Abteilung der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, war „Feste Zähne über Nacht“ am 6. Juli 2016 in Homburg.

Hervorzuheben ist auch der Vortrag des Akademie-Mitarbeiters Marco Peichl, M.A. beim International College of Prosthodontists (ICP) in Amsterdam 2019, einer internationalen Tagung des Fachbereichs Prothetik zum Thema „Verbesserte Lebensqualität durch Versorgung nach dem All-on-4-Konzept“.

 

Literatur
Maló P, Rangert B, Nombre M. (2003): “All-on-Four” immediate concept with Branemark System implants for completely edentulous mandibles: a retrospective clinical study. Clin Implant Dent Relat Res 5 (Suppl. 1): 2–9

 

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