Zahnärztliche Akademie

Zahnheilkunde - neue Techniken und neue Perspektiven

1982-2007

Die Quellen:

Beitrag aus den Zahnärztlichen Mitteillungen 1990 von Prof. Heners - Zahnerhaltende Prothetik durch gewebeintegrierende Konstruktionsweise

„War die herausnehmbare Prothese ursprünglich lediglich ein den technischen Möglichkeiten entsprechender Ersatz von Zähnen, so entsteht unter physiologischer Berücksichtigung der Mundhöhle eine Rückwirkung zwischen Zahnersatz und Gewebe: der Zahnersatz integriert die reduzierten oralen Gewebe zu einer neuen Funktionseinheit, die ohne ihn nicht bestehen würde. Umgekehrt integrieren die vorhandenen oralen Gewebe aber auch den Zahnersatz.“

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Beitrag zum Gedenken an Prof. Heners in der Zeitschrift das dental labor 2007 von ZTM Steiner - Die Karlsruher Konstruktion

„Der entscheidende Entwicklungsschritt vollzog sich 1983, als Professor Heners, Direktor der Karlsruher Akademie, ein Design entwarf, das auf alle funktionell überflüssigen Teile des Zahnersatzes verzichtete. Der Zahnersatz füllte somit nur den Raum aus, in dem orale Gewebe zu Verlust gegangen waren. Auch auf den transversalen Verbinder im Oberkiefer wurde konsequent verzichtet. Die Idee von Prof. Heners, zu dessen Gedenken dieser Beitrag erscheint, stellt eine Lösung dar, die mit tradierten technisch-mechanischen Vorstellungen des Lehrstuhls brach.“

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Von der Teleskopprothese zur Karlsruher Konstruktion

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.

Einleitung

Teleskopprothesen sind in der Zahnmedizin eng mit dem Namen Professor Dr. Michael Heners und der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe verknüpft. Teleskopprothesen sind eine Form des Zahnersatzes, der fest auf den Zähnen verankert ist und gleichzeitig herausnehmbar ist. Das Besondere an den Karlsruher Teleskopprothesen ist, dass die Größe des Zahnersatzes auf das Wesentliche reduziert wurde. So wurden beispielsweise die Prothesensättel deutlich verkleinert. Der Ersatz ist somit sehr grazil gestaltet. Die Konstruktion folgt der Überlegung „je kleiner desto besser“. Der Patient soll nicht spüren, dass er eine Prothese im Mund trägt.

Beispiel für eine Teleskopprothese aus der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe
Beispiel für eine Teleskopprothese aus der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Vom zahntechnischen Meisterstück zum gewebeintegrierten Zahnersatz

Der Beitrag in den Zahnärztlichen Mitteilungen ist ein wichtiges Zeitdokument, da Professor Heners seine Überlegungen zur Teleskopprothese, wie sie in Karlsruhe angefertigt wurde und bis zum heutigen Tage erfolgreich eingesetzt wird, einer breiten Leserschaft verständlich und schlüssig begründet darlegt. In dem richtungsweisenden Beitrag in den Zahnärztlichen Mitteilungen lächelt im Autorenporträt Professor Heners seinen Lesern verschmitzt zu. Er ist sich der Sprengkraft seines damaligen Aufsatzes durchaus bewusst, bricht dieser doch mit einer ganzen Reihe tradierter Regeln und den rein mechanistisch geprägten Vorstellungen in seinem Fach Prothetik.

Im ersten Abschnitt beschreibt er die drei unterschiedlichen teleskopierenden Systeme. Diese Halteelemente sind Teleskopkrone, Konuskrone und Resilienzteleskop. Er beschreibt die Konuskrone als variierbaren Regelfall zwischen der parallelwandigen, stets mit etwas Spielpassung hergestellten Teleskopkrone und dem Resilienzteleskop mit einem Konvergenzwinkel, der gerade noch eine Haftung zulässt. Zur Versachlichung der Diskussion empfiehlt er die neutrale Verwendung der Bezeichnung „Doppelkrone“ unter der Angabe des gewählten Konvergenzwinkels.

Im zweiten Teil mit der Überschrift „Mechanisches Prinzip herausnehmbarer Prothetik“ stellt Professor Heners das Kantorowiczsche Modell (1932) vor, auf das in den damaligen Lehrbüchern zur Zahnersatzkunde häufig Bezug genommen wird. Er berichtet, dass dies „als Analogmodell weder experimentell noch durch geprüfte klinische Erfahrung bestätigt werden konnte.“ Er führt weiter aus, dass die Abgrenzung des Indikationsbereiches der Doppelkronensysteme früher anhand dieses Modells erfolgte:

„Tatsächlich darf man jedoch feststellen, dass klinische Langzeitbeobachtungen zu Ergebnissen geführt haben, die die aus dem Kantorowiczschen Modell abgeleiteten Regeln für die herausnehmbare Prothetik in Frage stellen.“

Auch mit einer weiteren goldenen Zahnersatz-Regel, nämlich einer möglichst breiten Gerüstgestaltung, bricht Professor Heners in diesem Beitrag. Auch anhand klinischer Untersuchungsergebnisse aus der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe stellt er fest, dass eine transversale Verbindung im Oberkiefer nicht nötig sei.

Im dritten Abschnitt stellt Heners sein Modell des gewebeintegrierten Zahnersatzes vor. Er beschreibt Zahn und Parodontium als ein komplexes Funktionssystem. Anhand physiologischer Voraussetzungen postuliert er vier entscheidende Parameter für herausnehmbaren Zahnersatz:

„1. Der Zahnersatz muss parodontal getragen sein, 2. der Zahnersatz darf das marginale Parodontium nicht bedecken, 3. das Halteelement muss biomechanisch definiert sein, 4. der Zahnersatz sollte die kleinstmögliche Gerüstauslegung ausweisen.“

Er formuliert für den gewebeintegrierten Zahnersatz:

„War die herausnehmbare Prothese ursprünglich lediglich ein den technischen Möglichkeiten entsprechender Ersatz von Zähnen, so entsteht unter physiologischer Berücksichtigung der Mundhöhle eine Rückwirkung zwischen Zahnersatz und Gewebe: der Zahnersatz integriert die reduzierten oralen Gewebe zu einer neuen Funktionseinheit, die ohne ihn nicht bestehen würde. Umgekehrt integrieren die vorhandenen oralen Gewebe aber auch den Zahnersatz. Aus einem ursprünglich lediglich zahntechnischem Meisterwerk wird ein neuromechanischer Funktionsersatz, der das therapeutische Ziel hat, die oralen Strukturen zu erhalten, die ohne ihn verlorengingen.“

Professor Heners fordert im letzten Teil des Artikels für eine moderne Prothetik die Gesetzmäßigkeiten zu erforschen, die mit gewebeintegrierenden Konstruktionen zur Strukturerhaltung oraler Gewebe führen. Er empfiehlt hierzu klinische Langzeitbeobachtungen als aussagekräftige Form für Untersuchungen.

Wissenschaftliche Langzeitstudien

Diesen Empfehlungen en nach klinischen Langzeituntersuchungen sollte gerade in den kommenden drei Jahrzehnten von Seiten der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Rechnung getragen werden. Dies zeigt ein Blick in den tabellarischen Auszug der Forschungsdatenbank zu Konuskronen. Die wissenschaftlichen Arbeiten zur Doppelkronentechnik stellen zunächst die Technik unter Verzicht sämtlicher nicht wesentlicher Prothesenanteile vor. Sie zentrieren sich dann um die Frage der Prognose der Pfeilerzähne. Wissenschaftlich untersucht wurden die Komplikationen und die Haltbarkeit dieser Konstruktionen. Professor Dr. Winfried Walther entwickelte hierzu speziell ein Modell zur Erfassung und statistischen Bewertung klinischer Therapieverfahren. So konnte über sehr viele Jahre bei Teleskop-gestütztem Zahnersatz eine subsequente klinische Beobachtung von Wiederherstellungs- und Neuanfertigungsmaßnahmen erfolgen, die ihren Niederschlag in den zahlreichen Zeitschriftenbeiträgen und wissenschaftlichen Monografien findet. Ingo Müller-Koelbl fand in seiner Nachuntersuchung zu Langzeitverläufen von Teleskoparbeiten beispielsweise heraus, dass jede vierte Teleskopprothese über 20 Jahre in situ bleibt. Das Therapiemittel Teleskopprothese kann somit ganz beachtliche Langzeiterfolge aufweisen. Er konstatiert daher, dass Teleskopprothesen einen Patienten über einen längeren Lebensabschnitt bei vergleichsweise vertretbaren Kosten effizient versorgen.

Zeitschriftenbeiträge
Heners, Michael; Walther, Winfried (1988): Klinische Bewährung der Konuskrone als perioprothetisches Konstruktionselement. Eine Langzeitstudie. Dtsch Zahnärztl Z 43: 525-529
Heners, Michael; Walther, Winfried (1988): Pfeilerverteilung und starre Verblockung – eine klinische Langzeitstudie. Dtsch Zahnärztl Z 43: 1122-1126
Walther, Winfried; Heners, Michael (1989): Transversalbügelfreie Gerüstkonstruktion. Eine klinische Langzeitstudie. Dental Labor 37: 169-172
Heners, Michael; Walther, Winfried (1990): Die Prognose von Pfeilerzähnen bei stark reduziertem Restzahnbestand. Eine klinische Langzeitstudie. Dtsch Zahnärztl Z 45: 579-581
Heners, Michael (1990): Zahnerhaltende Prothetik durch gewebeintegrierende Konstruktionsweise. Zahnärztl Mitt 21: 2340-2344
Walther, Winfried (1990): Kronenfrakturen bei herausnehmbarem Zahnersatz. Dtsch Zahnärztl Z 45: 542-544
Walther, Winfried (1990): Kontinuierliche Fallkontrolle durch subsequente EDV-gestützte Dokumentation. Dtsch Zahnärztl Z 45: 160-162
Walther, Winfried; Heners, Michael (1992): Parodontaler Befund und Verlust von Pfeilerzähnen bei herausnehmbarem Zahnersatz. Dtsch Zahnärztl Z 47: 603-605
Walther, Winfried; Klemke, Jochen (1995): Zum prothetischen Nachsorgeaufwand bei Einzelkronen und Konuskonstruktionen / Erhalt der Funktionstüchtigkeit von Implantatsuprastrukturen. Phillip Journal 95: 283-287
Walther, Winfried (1995): Risk of endodontic treatment after insertion of conical crown retained dentures. Endod Dent Traumatol 11: 27-31
Klemke, Jochen; Walther, Winfried; Heners, Michael (1996): Prothetischer Erhaltungsaufwand bei implantatgetragenen Konuskronenkonstruktionen. Z Zahnärztl Implantol 12: 29-34
Walther, Winfried; Heners, Michael; Surkau, Petra (2000): Initialbefund und Tragedauer der transversalbügelfreien, gewebeintegrierten Konus-Konstruktion. Eine 17-Jahres-Studie. Dtsch Zahnärztl Z 55: 780-784
Walther, Winfried, Klar, Bernhard (2001): Evidenzgestützte Einschätzung prognostischer Faktoren der prothetischen Therapieplanung – eine multivariante Analyse. Dtsch Zahnärztl Z 11: 676-679
Walther, Winfried; Kus, Mehmet (2002): Systematisierung therapeutischer Strategien durch induktive Lernverfahren. Dtsch Zahnärztl Z 10: 591-593
Steiner, Bertold (2007): Die Karlsruher Konstruktion. das dental labor LV, Heft 11/2007, 1-8
Monographien
Walther, Winfried (1992): Ein Modell zur Erfassung und statistischen Bewertung klinischer Therapieverfahren - entwickelt durch Evaluation des Pfeilerverlustes bei Konuskronenersatz. Habilitationsschrift, Universität des Saarlandes, Homburg
Pauls, Ulrich (2006): Evaluation eines regel- und fallbasierten Entscheidungsunterstützungssystems zur Prognose von Pfeilerzähnen. Masterarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Müller-Koelbl, Ingo (2009): 20-jährige Verlaufsbetrachtung der Konus-Konstruktion bei stark reduzierter Restbezahnung. Masterarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Tschürtz, Ingwert-Hansen (2009): Bewährung von Doppelkronenkonstruktionen: Überlebensrate von Pfeilerzähnen und Analyse der Folgekosten nach Eingliederung des Zahnersatzes. Masterarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Müller-Koelbl, Ingo (2019): Teleskop-gestützter Zahnersatz 20-jährige subsequente klinische Beobachtung von Wiederherstellungs – und Neuanfertigungsmaßnahmen. Dissertation, Universität des Saarlandes, Homburg
Beispiel für eine Karlsruher Konstruktion (ZTM Berthold Steiner) (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Die Karlsruher Konstruktion

Die zweite, ebenso sehr aufschlussreiche Quelle ist ein Aufsatz von ZTM Bertold Steiner für eine zahntechnische Zeitschrift. Er zeichnet dort 2007 die Geschichte hinter der Karlsruher Konstruktion zum Gedenken an den Akademie-Direktor Professor Heners nach. Zu sehen ist unmittelbar auf der ersten Seite Professor Heners in seinem Element. Anschaulich demonstriert er in einem seiner zahlreichen Kurse im In- und Ausland das Phänomen der Haftkraft bei Konuskronen.

Herr Steiner berichtet voller Stolz aus der Sicht des Laborleiters von der Entwicklung der Teleskopprothese hin zur Karlsruher Konstruktion. Zunächst skizziert er kurz die Entwicklung von der parallelwandigen Teleskopkrone zur Doppelkrone und berichtet dann aus dem entscheidenden Jahr 1983:

„Prof. Heners hatte im Jahr 1983 zwei hauptsächliche Beweggründe, das Design der Konuskonstruktionen zu ändern. Zunächst wollte er den Komfort für den Patienten verbessern, indem alle nicht wesentlichen Teile des Zahnersatzes weggelassen wurden. Zum andern wollte er den herausnehmbaren Zahnersatz aufwerten, der insbesondere in der internationalen fachlichen Diskussion im Gegensatz zu festsitzenden Konstruktionen als schlecht und gefährliche prothetische Lösung galt.“

Er berichtet fasziniert von den augenscheinlichen Neuerungen im Konstruktionsdesign: Wegfall des großen Verbinders im Oberkiefer, also eine gaumenfreie Konstruktion, bügelfreie Konstruktion auch im Unterkiefer durch Verzicht des Sublingualbügels und Reduktion der Sattelanteile der Prothese auf das Design wie bei einer festsitzenden Brücke. Zusammenfassend sind – zahntechnisch beschrieben – die Konstruktionsmerkmale für eine Karlsruher Konstruktion:

  • Doppelkronensystem mit Konus als Halteelement
  • Gaumenfreie Realisierung, d.h. Verzicht auf den transversalen Verbinder
  • Bügelfreie Konstruktion auch im Unterkiefer, d.h. Verzicht auf den Sublingualbügel
  • Dentoalveoläres Design, d.h. Reduktion der Sattelanteile auf die Ausdehnung vergleichbar einer Brückenkonstruktion mit ponticartigen Auflagen.
Klinisches Bild einer gaumenfreien Teleskopprothese auf dem letzten verbliebenden Oberkieferzahn
Klinisches Bild einer gaumenfreien Teleskopprothese auf dem letzten verbliebenden Oberkieferzahn (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Persönliches Fazit von Herrn Steiner

Aus der Perspektive des erfahrenen Zahntechnikermeisters zeigt Berthold Steiner in dem Artikel anhand einer beeindruckenden Bilderserie die einzelnen Laborschritte von der Modellherstellung bis zur Fertigstellung einer Karlsruher Konstruktion. Sein persönliches Fazit lautet:

„Hinsichtlich des Tragekomforts besteht kein Unterschied, ob der Patient eine herausnehmbare oder eine zementierte Brücke trägt. Auch bei Ausfall eines Pfeilers ist die Konstruktion durch Auffüllen des Aussenkonuses leicht zu reparieren. Durch das vorgestellte Konzept wurde die Behandlung in unserer Poliklinik wesentlich sicherer.“

 

Verzahnung von Patientenbehandlung, Wissenschaft und Fortbildung

Die Geschichte und Weiterentwicklung des Versorgungskonzeptes der Teleskopprothese ist Ausdruck für die besondere Innovationskraft der Karlsruher Fortbildungsakademie. Auch gegen teils erbitterte Widerstände und Anfeindungen von zahnärztlichen Fachkollegen von Seiten der Universitätszahnkliniken im In- und Ausland verteidigte Professor Heners seine Karlsruher Konstruktionsprinzipen. Diese sollten sich schlussendlich durchsetzen und haben sich im Praxiseinsatz tausendfach klinisch bewährt. Der Akademie-Direktor, die Poliklinik und das zahntechnische Labor haben im Sinne des Patienten vorbildlich zusammengearbeitet. Handelt es sich doch um eine Art der Versorgung, die den Tragekomfort der Patienten erheblich verbessert hat. Es zeigt sich hier auch die in Karlsruhe bewährte Verzahnung zwischen Patientenbehandlung, Wissenschaft und Fortbildung, wie sie an der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe als zahnärztliches Fortbildungsinstitut wohl weltweit einmalig ist.

 

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