Zahnärztliche Akademie

Zeitzeugen

1957-1959

Die Quellen:

Dentistenpraktikanten-Ausweis, Zulassungsschreiben Zahnarztausbildung und Studierenden-Ausweis

„Wir teilen Ihnen mit, dass Ihrer Bewerbung um Aufnahme in das Lehrinstitut Karlsruhe des Bundesverbandes der Deutschen Zahnärzte e.V. auf Grund einer Verwaltungsratssitzung entsprochen wurde.“

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Die zahnärztliche Ausbildung am Lehrinstitut – Interview mit Liselotte Koelges

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Porträt der Zahnärztin Liselotte Kölges-Friebolin, die ihre zahnärztliche Ausbildung am Lehrinstitut 1959 erfolgreich abgeschlossen hat, beim Interview (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Einleitung

Als Zeitzeugin gibt Zahnärztin Liselotte Koelges Auskunft zu ihrer Ausbildungszeit am Lehrinstitut in Karlsruhe. Direkt nach der Schule hat sie die Ausbildung zum Dentistenpraktikanten absolviert. Diese Ausbildung absolvierte sie in einer speziellen Praxis und am Dentistischen Lehrinstitut. Sie erzählt, dass dies eine Art Zahntechnikerlehre gewesen war.

Dann berichtet sie voller Stolz von ihrer zweijährigen Ausbildung am Lehrinstitut Karlsruhe zur Zahnärztin, die sie nach einer dreijährigen Assistententätigkeit angetreten hatte. Dabei öffnet sie für unsere Festschrift auch ihr privates Fotoalbum, gewährt dabei interessante Einblicke zu ihrem Semester und zeigt Schriftstücke aus vergangenen Tagen.

Der Vater von Liselotte Kölges (dieser steht ganz außen rechts) hat die Ausbildung auch schon am Dentistischen Lehrinstitut Karlsruhe im Jahr 1929 absolviert (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Interesse für die Zahnmedizin bereits in die Wiege gelegt

Frau Liselotte Koelges-Friebolin, geboren am 20. Juli 1934, erzählt gerne von ihrem zahnärztlichen Werdegang und der Zeit am Karlsruher Lehrinstitut. Ihr Vater sei bereits Dentist gewesen. Dieser habe die Ausbildung 1929 am Dentistischen Lehrinstitut Karlsruhe abgeschlossen und hatte als Dentist in Karlsruhe praktiziert. Sie zeigt uns ein Gruppenbild des Abschlussjahrganges ihres Vaters. Dieses Foto ist aufgenommen am Hintereingang des Gebäudes der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe in der Sophienstraße 41. In der ersten Reihe sieht man die Lehrkörper des Dentistischen Instituts Karlsruhe, in der Mitte der Direktor Emil Kimmich.

Vom Gymnasium zur geprüften Dentistenpraktikantin

Frau Koelges berichtet, dass sie eigentlich schon immer Zahnärztin werden wollte. Sie sei damals auf das Gymnasium in Karlsruhe gegangen. Als sie dort die Mittlere Reife abgeschlossen hatte, nahmen ihre Eltern sie aber vom Gymnasium herunter. Das Abitur wäre wohl schwierig geworden, hatte sie doch damals eine „miese Lateinlehrerin“. Eigentlich wäre sie ja lieber auf der Schule geblieben, aber so war dies halt damals, erzählt sie lachend. Sie bestand die Eignungsprüfung zur Dentistenpraktikantin und absolvierte dann die Ausbildung zur sogenannten Dentistenpraktikantin. Diese Ausbildung sei vergleichbar gewesen mit der heutigen Zahntechnikerlehre. Als sie gerade die Ausbildung angefangen hatte, verunglückte ihr Vater, sodass sie nicht bei ihrem Vater die Berufsausbildung durchlaufen konnte. Daher machte sie die Lehre bei einem fremden Dentisten. Dieser Dentist arbeitete sehr präzise und war gleichzeitig auch sehr kollegial.

Die Berufsschule für Dentistenpraktikanten war am Dentistischen Lehrinstitut Karlsruhe angesiedelt. Der Ausweis der Berufsschule für Dentistenpraktikanten in Karlsruhe des Verbandes Deutscher Dentisten belegt die Ausbildung von Frau Koelges vom 13. September 1950 bis zum 1. September 1953 und liegt als Quelldokument vor.

Jeden Freitag war dort schulische Ausbildung. Die Prüfungen waren schriftlich und praktisch. Die Abschlussprüfung zur Dentistenpraktikantin bestand unter anderem in der Herstellung einer Totalprothese. Ferner musste man eine Metallplatte prägen und auch eine Brücke herstellen. Nach zwei Jahren Ausbildung bestand sie die Prüfung und arbeitete im Anschluss drei Jahre als Assistentin in einer Praxis.

Zulassung zur Ausbildung als Zahnärztin

Kurz vor Weihnachten bekam sie dann das langersehnte Zulassungsschreiben zur Ausbildung als Zahnärztin am Lehrinstitut des Verbandes der Deutschen Zahnärzte e.V.

Diese Zulassungsbestätigung zur Aufnahme an das Lehrinstitut Karlsruhe datiert vom 22. Dezember 1956. Einführend das Wichtigste: „Wir teilen Ihnen mit, dass Ihrer Bewerbung um Aufnahme in das Lehrinstitut Karlsruhe des Bundesverbandes der Deutschen Zahnärzte e.V. auf Grund einer Verwaltungsratssitzung entsprochen wurde.“

In diesem Schreiben sind auch in aller Kürze sämtliche Formalitäten geregelt, die es zu Anfang des Studiums zu beachten gilt. Angefangen mit den erforderlichen Unterlagen über das benötigte Instrumentarium bis hin zu dem Hinweis, dass extrahierte Zähne mitzubringen seien und zur obligatorischen zahnmedizinischen Fachliteratur. Unter diesen Lehrbüchern befinden sich die vier Bände des Lehrbuches, das von Walther Engel herausgegeben wurde, das Fachbuch des Institutslehrers Neumann „Repetitorium aus der spez. Anatomie“ und ein Buch von Herrn Dr. Dummer „Beinahe eine Fehldiagnose“.

Hinsichtlich der Ausbildung zur Zahnärztin erläutert sie, dass im Zuge einer Gesetzesänderung im Jahr 1952 das Zusammenführen der beiden Berufsstände Dentist und Zahnarzt zum 01.04.1960 beschlossen wurde und daher am Lehrinstitut die Ausbildung zum Zahnarzt möglich war. Die früher übliche einjährige Ausbildung zum Dentisten wurde infolgedessen ersetzt durch eine vier Semester umfassende Ausbildungszeit am Lehrinstitut des Bundesverbandes der Deutschen Dentisten e.V., die mit der Berufsbezeichnung Zahnarzt endete. Auch den damaligen Studierenden-Ausweis legt Frau Koelges beim Interview vor.

Dieses wichtige Dokument weist sie als Studierende am Lehrinstitut Karlsruhe des Bundesverbandes der Deutscher Zahnärzte e.V. vom 8. April 1957 bis zum 31. März 1959 aus.

 

Strenge Ausbildung

Auf die Frage was denn das Lehrinstitut Karlsruhe damals für einen Ruf hatte, erzählt sie:

„Einen ganz schlimmen Ruf hatte es hier gehabt, keiner wollte da hin, die haben alle Schiss gehabt. Mein Mann, der stammt ja aus Boppard am Rhein und der hat sich ja angemeldet gehabt, natürlich für Frankfurt und Köln und so weiter. Und dann hat er an Weihnachten die Zusage gekriegt für Karlsruhe und dann waren also die ganzen Weihnachten verhagelt, hat er gesagt (lacht). Also, Karlsruhe hat einen strengen Ruf gehabt.“

Im Gegensatz dazu hatte sich Frau Koelges nur am Karlsruher Lehrinstitut beworben, allein schon aus finanziellen Erwägungen. Zum typischen Tagesablauf bei der Ausbildung am Institut führt sie aus:

„Wie es losging, also morgens wurde, immer, waren die ersten Stunden immer Vorlesung. Also entweder von 8 bis 10 Uhr, oder auch mal von 8 bis 9 Uhr, auch mal nur, und dann hat man im Labor gesessen, und musste da so Kronen machen, das waren so Pflichtarbeiten, die sind ja dann nachher testiert worden. (...) Dann war eben Mittagspause, zwischendurch war auch mal eine Frühstückspause, da war dann auch so ein Keller da, da gab es Cola und Würstchen und so Zeug. Rauchen durfte man nicht, das wurde bestraft mit Geld. Und, ja, morgens bevor es angefangen hat, wurde vorgelesen, morgens Anwesenheitsliste. Wer zu spät kam, musste zahlen. Und wer dreimal zu spät kam, musste glaube ich, zum Hausmeister, nein, zum Herrn, och wie hieß der nochmals, zum Herrn Hauser, das war der Sekretär, der hat über alle Reusen geherrscht, da musste man antreten. Das wurde alles streng nach schulischen Gesichtspunkten durchgeführt, nach universitären.“

Am Nachmittag standen dann wieder Vorlesung und praktische Arbeiten auf dem Lehrplan. Im zweiten Jahr war man am Patienten tätig. Im ersten Jahr übte man dagegen an Phantomköpfen. Da gab es beispielsweise Präparationsübungen mit extrahierten Zähnen in Gipsmodellen. Samstags musste man auch ans Institut kommen.

Die Hygiene am Institut wurde besonders großgeschrieben. Im ersten Jahr musste man abends immer gründlich putzen, auch mit für das Semester drüber. Alles musste sauber und hygienisch einwandfrei sein. Frau Koelges erzählt, dass es unter den Studierenden ein Brauch war, nach dem bestandenen Vorexamen und dem Hauptexamen des Semesters drüber im Hof des Lehrinstituts die Putzsachen zu verbrennen. Sie erklärt lachend:

„Da gibt es auch ein Bild, wo wir das Zeug dann nach dem Jahr verbrennen."

Frau Kölges-Friebolin erinnert sich an ihre zahnärztliche Ausbildung. Sie zeigt auf sich, ihre Freundinnen und andere Studierende ihres Semesters im Hof (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Weihnachtsfeier

Die Studierenden des ersten Jahres waren für die Organisation der Feiern am Institut verantwortlich. Die Weihnachtsfeier im kleinen Saal der Stadthalle Karlsruhe ist ihr in besonderer Erinnerung geblieben. Sie öffnet ihr Fotoalbum. Die Lettern auf der Einladung sind schon in dem typischen „Akademie-grün“ gehalten. Sie erzählt, dass erst der Nikolaus mit seinen beiden zwei Beelzebuben auftrat. Der Semesterchor sang. Die Dozenten wurden auf die Schippe genommen und bekamen alle ein Geschenk: Herr Direktor Engel eine große Prothesen-Torte mit Marzipan-Zähnen, Herr Killius eine riesengroße zahnärztliche Sonde, damit er den Randschluss der Füllungen noch besser kontrollieren konnte und der Herr Fischer einen riesigen Abdrucklöffel mit einer ganzen Gans drin. Ein Assistent wiederum, der immer irgendwelche Versuche gemacht hat, hat zwei weiße Mäuse bekommen, freut sich Frau Koelges. Ein zweiter Chor mit dem bezeichnenden Namen „Die Gipsmelodiker“ sang Persiflagen. Der Semesterchor hingegen rahmte die gelungene Weihnachtsfeier mit ernsthaften Liedern.

 

Die Institutslehrer und die Studierenden

Am Institut gab es sowohl die Institutslehrer als auch Gastdozenten, die dort unterrichteten. Zu den Lehrern am Institut berichtet sie: Herr Rudolf Fischer, der Prothetik unterrichtete, war ein Lustiger. Dieser habe auch sehr gerne gegessen. Der Herr Karl Neumann, der Anatom, war ein Strenger. So musste man nicht nur für die vielen Prüfungen lernen. Jeden Montag wurde von Herrn Neumann Anatomie abgehört. Da gab es auch einen Vers in einer Examenszeitschrift erinnert sich Frau Koelges:

„Am Montag sind die Stunden lang, der Neumann macht die Hörer bang.“

In der konservierenden Zahnmedizin waren der Herr Direktor Walther Engel und Herr Killius tätig. Herr Killius sei der Adlatus von Direktor Engel gewesen. Herr Engel habe auch die zahnärztliche Chirurgie unterrichtet. Der Herr Direktor Engel war ganz klar der Chef am Institut:

„An sich war er sehr zugänglich. Wenn es aber was nicht gepasst hat, dann hat er auch mal rumgeschrien, und der war halt ein bisschen ein Choleriker. Aber an sich war er sehr gerecht. Und auch wieder fast gutmütig manchmal.“

An weiteren Lehrern gab es Herr Dr. Dummer, dieser war Physiker und habe die Röntgenabteilung geleitet. Herr Professor Köhler aus Heidelberg hat große Chirurgie unterrichtet. Herr Dr. Märkel hatte Bakteriologie unterrichtet. Es gab noch viele weitere Lehrer, etwa ein Professor vom Städtisches Klinikum der Innere Medizin im Klinikum unterrichtet hat. Für die Kieferorthopädie sei eine Frau Schnitzer aus Heidelberg verantwortlich gewesen. Von gewisser Bedeutung am Institut war auch noch der Herr Hauser, der Sekretär, gewesen, sagt sie mit leichter Ironie. Dieser habe zum Beispiel auch Zimmer für die Studierenden vermittelt. Sie erzählt, dass das Studienprogramm sehr straff war. Man habe mehr gelernt als ihre Tochter später in Frankfurt im Zahnmedizinstudium. Sie erzählt, dass ihre Tochter auch Zahnärztin geworden sei und jetzt schon Studiendirektorin in der Berufsschule sei. Zum Verhältnis der universitär ausgebildeten Zahnärzte zu den Dentisten bzw. zahnärztlichen Abgängern am Institut berichtet sie:

„Also hier in Karlsruhe, war es natürlich, waren die Zahnärzte schon ein bisschen eifersüchtig. Da sind auch viele Absolventen des Instituts hier hängen geblieben, die sich hier dann selbstständig gemacht haben und da haben die Dentisten dann eigentlich einen besseren Stand gehabt, vor allem auch in der Prothetik, weil sie da auch weitaus mehr konnten. Denken Sie mal, wenn Sie fünf Jahre lang Prothetik gemacht haben, dann sind Sie ja anders, als wenn, wie das bisschen, wie die da an der Uni machen.“

Etwaige Unterschiede zu den universitär ausgebildeten Zahnärzten spricht Frau Koelges im Interview nicht an. Am Lehrinstitut lernte Frau Kölges auch ihren späteren Ehemann Rudolf Koelges kennen, der mit ihr im Semester war. Ihr Semester bestand aus insgesamt 60 Studierenden, elf Frauen und 49 Männer. Nach dem ersten Studienjahr gab es das Vorexamen. Das Vorexamen war eine Art Physikum, aber ohne das Fach Prothetik, weil sie ja schließlich schon fünf Jahre Prothetik hinter sich hatten, erklärt sie. Dieses hatten drei Studierende nicht bestanden:

„Die Frauen haben alle bestanden. Die Männer - ah, da waren ein paar Schluries schon dabei. Die wussten, wo man einen Bierkasten billiger kriegt und lauter so Sachen.“

Das Staatsexamen ging drei Wochen. Das Staatsexamen bestand aus einer Reihe von mündlichen und schriftlichen Prüfungen und aus einem praktischen Teil: Anfertigung von Totalprothesen, einer Brücke oder alternativ einer partiellen Prothese und einer Krone, ansonsten eine Wurzelbehandlung, ein Inlay und ein Frontzahn-Füllung waren gefordert.

 

Kleine Exkursionen und die große Fahrt

Neben der Lehre am Institut gab es im ersten Studienjahr mit dem Semester kleinere Exkursionen, z.B. zur Firma Ritter in Karlsruhe und zu einer Firma in Fürth und nach Erlangen. Sehr gerne erinnert sich Frau Koelges auch an die große Fahrt.

Die große Fahrt ging in die Schweiz. Das ganze Semester mit Herrn Direktor Engel, Herrn Killius und Herrn Fischer fuhr mit zwei Omnibussen zuerst nach Bad Säckingen zu einer Dentalfirma, dann zu einer weiteren Firma nach Vaduz in Liechtenstein. Direktor Walther Engel wollte den Studierenden auch Lebensstil beibringen, erinnert sich Frau Kölges. Er hatte gerne beobachtet, wie sie sich die Studenten in großer Gesellschaft verhalten, er wollte den Stand auf ein gewisses Niveau bringen und dies auch gesellschaftlich. Die Reise führte sie weiter über den Vierwaldstätter See und mit der Bahn hinauf nach Zermatt zum Schwarzsee am Fuße des Matterhorns. Von Zermatt ging es zum Genfer See nach Montreux und schließlich wieder zurück nach Karlsruhe. Ein Teil übernachtete im Hotel, ein anderer Teil zeltete. Diese große Schweizfahrt ist den Studierenden von damals in wirklich guter Erinnerung geblieben, so sehr, dass diese auch Jahrzehnte später nochmals auf eigene Faust anlässlich eines Ehemaligentreffens für fünf Tage in die Schweiz fuhren. Diese Examenstreffen fanden erst nur alle 15 Jahre, dann alle zehn Jahre und in der Folgezeit in immer kürzeren Abständen statt. Sie erzählt, dass noch heute Kontakt zu Ehemaligen bestünde.

Das Ehepaar Koelges ist nach ihrer Ausbildungszeit dem Karlsruher Lehrinstitut treu geblieben. Frau Koelges hat zahlreiche Fortbildungskurse als Teilnehmerin besucht. Ein dick gefülltes Fortbildungsheftchen beweist ihr kontinuierliches Fortbildungs-Engagement. Herr Kölges war als Berufsschullehrer und Prüfer an der Fortbildung der zahnmedizinischen Fachangestellten über Jahre hinweg mit der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe verbunden.

Wir danken Frau Koelges sehr für dieses Interview.

 

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