Zahnärztliche Akademie

Die ersten 40 Jahre – Dentist und Zahnarzt, der duale Berufsstand

1929

Die Quellen:

Das neue Haus in der Sophienstraße - Verhandlungen, Stadtratsbeschluss und Vertrag 1929 (Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe Akte H-Reg. Abt. A Nr. 10199)

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Vor- und Hauptbericht mit Pressestimmen zur Einweihung des neuen Karlsruher Fortbildungs-Instituts für Dentisten am 26. Juli 1929 aus den Erinnerungsblättern zum 10-jährigen Bestehen des Fortbildungsinstituts

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Der Umzug in die Sophienstraße

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.

Neun Jahre Raumnot

Neun Jahre lang diente das 1920 gegründete Institut als Lehr- und Ausbildungsstätte. Da die Zahl der Institutsbesucher kontinuierlich gestiegen war und sich die Ausbildungszeit zudem verdoppelt hatte, waren die Räumlichkeiten schnell viel zu beengt. Es begann die Suche nach neuen Räumlichkeiten für das wachsende Institut der aufstrebenden Dentisten. Das ehemalige Prinzessin-Wilhelm-Stift in der Sophienstraße konnte schließlich als neue Adresse gewonnen werden und diente ab 1929 für die kommenden 85 Jahre als Aus- und Fortbildungsinstitut.

Porträt von Oberbürgermeister Dr. Julius Finter um 1920. Er war Mitglied der linksliberalen DDP und wurde 1933 von den Nationalsozialisten zum Rücktritt gezwungen. (Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIII 163)

Hilfe von der Stadt

Die Stadt Karlsruhe wurde von Direktor Kimmich über die beengten räumlichen Verhältnisse unterrichtet. Seine Eingaben wurden dem Stadtrat am 7. März 1929 zur Kenntnis gebracht. Unter anderem wurde dargestellt, dass „100 Zöglinge“ zurzeit in Ausbildung seien, aber eigentlich ein Ausbildungsbedarf für 200 Schüler vorhanden sei. Ferner hatte Direktor Kimmich auch angedeutet, dass Mannheim Interesse habe, Standort des Dentistischen Institutes zu werden.

Die Stadt Karlsruhe dokumentierte im Protokoll der Stadtratssitung ihre Bereitschaft, die „bessere Unterbringung“ der Fortbildungsanstalt „energisch“ zu betreiben. Die Quellen zu diesem Beitrag dokumentieren den sehr dynamischen Entscheidungsprozess in dieser Sache. Nach den ersten Eingaben von Emil Kimmich kam es am 06. März 1929 zu einer Besprechung zwischen Direktor Kimmich und Vertretern der Stadt Karlsruhe. Zwei Vorschläge zur Problemlösung wurden erörtert. Der erste sah vor, dass die Lehranstalt in der Steinstraße ein zweites Stockwerk, nämlich das Stockwerk unter dem bestehenden zusätzlich erhalten könne. Der zweite Vorschlag strebte einen Umzug und eine vollständige Neueinrichtung des Institutes an. In der Sophienstraße befanden sich die Gebäude des Prinzessin-Wilhelm-Stift, die lange Zeit als Lehrerinnenseminar gedient hatten. Das Stift war 1878 gegründet worden und war über vier Jahrzehnte lang eine der wenigen Einrichtungen im Herzogtum Baden, an denen Frauen eine Berufsausbildung absolvieren konnten. Im Jahr 1924 ging das Stift in der neu gegründeten Lehrerbildungsanstalt auf. Die Häuser hatten seither keine Funktion mehr. Insgesamt drei Adressen waren frei: Die Vorderhäuser auf den Grundstücken Sophienstraße 39 und 41 sowie das Hinterhaus mit der Adresse Sophienstraße 39a.

Direktor Kimmel favorisierte eindeutig den Vorschlag zwei, den Umzug in die Sophienstraße. Schon einen Tag nach der Besprechung fand eine Stadtratssitzung statt, in der festgestellt wurde, dass die Stadt das größte Interesse habe, die Dentistische Anstalt in Karlsruhe zu erhalten. Der Stadtrat beschloss, die „bessere Unterbringung der Fortbildungsanstalt für Dentisten - möglichst im Hintergebäude des Prinzessin-Wilhelm-Stifts Sophienstraße 39/41“ zu betreiben.
Quelle: Stadtratbeschluss

Das waren keine leeren Worte. Wenige Wochen später, am 1. April 1929 wurde der Mietvertrag geschlossen. Als besonderes Entgegenkommen der Stadt wurde auf Mietzahlungen seitens des Instituts verzichtet. Der Mietvertrag galt einstweilen bis zum 31. März 1934. Für diese Zeit galt: „Ein Mietzins wird von dem Reichsverband Deutscher Dentisten e.V. nicht erhoben“.

Von der großen Freude der Dentisten zeugt ein Telegramm, das von der Jahrestagung des Reichsverbandes in Hamburg an den Oberbürgermeister Dr. Finter geschickt wurde. TELEGRAMM AN DEN OBERBÜRGERMEISTER

Das Hintergebäude Sophienstraße 39a stand freilich nicht zur Gänze zur Verfügung. Ein Teil wurde bereits von der Fichteschule genutzt. Für die Dentisten kam lediglich „der rückwärtige Teil der Gebäudegruppe“ zum Einsatz. Auch diese Lösung bedeutete freilich für die Fichteschule einen Verlust an Lehrraum, der durchaus Einspruch hervorrief. Es war der Beginn einer wechselvollen Geschichte. Im Jahr 1939 wurde dem Lehrinstitut zwar das gesamte Gebäude zur Verfügung gestellt, 1960, nach der Gründung des Fortbildungsinstitutes, wurden aber nicht mehr so viele Räume benötigt und die Fichteschule zog bis 1978 wieder ein. Die Koexistenz von Fichteschule und zahnmedizinischer Fortbildungsstätte führte wiederholt zu Auseinandersetzungen.

 

So gut wie die Universität

In den Erinnerungsblättern „Das Karlsruher Lehrinstitut für Dentisten“ aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums des Instituts am 18. Oktober 1930 finden sich ein Vorbericht zum Umzug von der Steinstraße in die Sophienstraße und ein ausführlicher Bericht zum Festakt. Es gelang dem Institut tatsächlich in einer Frist von 6 Monaten nach Abschluss des Mietvertrages, Umzug und Neueinrichtung zu bewältigen.

Der Vorbericht und der Bericht zur Einweihung des neuen Karlsruher Fortbildungs-Institutes für Dentisten am 26. Juli 1929 in der Dentistischen Wochenschrift ist ein höchst interessantes Textdokument, dessen Sprache uns, wie im Bericht der Gründung des Fortbildungsinstitutes 1920, allerdings heute fremd anmutet. Auch hier werden die Anliegen und Probleme der Dentistenschaft anschaulich und eindrücklich geschildert. So ist es dem Verfasser Julius Bach ein großes Bedürfnis, das Selbstbewusstsein der Profession zu stärken und ihren gesellschaftlichen Rang darzustellen. Stolz sind die Badischen Dentisten darüber, dass auch hier die Einrichtung der neuen Räumlichkeiten aus Mitteln des Dentistenstandes erfolgte. Der Leser spürt das neue Selbstbewusstsein der Dentisten. Der erfolgreich eingeschlagene Weg der Berufsausbildung mit einem Musterinstitut trägt Früchte:

„… so können wir doch bei dieser neuen Lehr- und Ausbildungsstätte ohne Überhebung doch auch einmal auf die Gegenwart stolz sein und sagen, dass wir damit unsere bisherigen Bestrebungen und Einrichtungen in vollendeter Weise gekrönt haben.“

Noch nachdrücklicher ist die folgende Passage formuliert:

„In unserem neuen Karlsruher Institut besitzen wir eine dentistische Lehrstätte, die sich – wir scheuen keine, selbst nicht die schärfste und unfreundlichste Kritik – getrost neben jedes deutsche zahnärztliche Universitäts-Institut stellen kann."
Quelle: Vor- und Hauptbericht
 

Die Einweihungsfeier

Der Festakt fand in den Räumen der badischen Hochschule und des Konservatorium für Musik in Karlsruhe statt, in denen trotz Urlaubszeit viele offizielle Persönlichkeiten anwesend waren. Unter diesen war auch der Minister des Innern, Herr Dr. h.c. Remmele und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, Herr Dr. Finter. Die Eröffnungsrede hielt Direktor Emil Kimmich. Er berichtet voller Stolz:

„Wir haben seit dem Jahre 1920 in Karlsruhe ein Lehrinstitut für Dentisten zum Zwecke des wichtigsten Teiles unserer Berufsausbildung und Fortbildung unseres Standes und zur Vorbereitung auf die staatliche Prüfung, die gleichfalls seit dem Jahre 1920 in Baden eingeführt ist.“

Maßgeblich beteiligt an den erreichten Fortschritten war der Staatsminister Herr Dr. h.c. Remmele, dem gesondert gedankt wird. Folgerichtig erscheint dieser in den Erinnerungsblättern auch mit Bild und Danksagung auf der ersten Seite.

Der Reichsverband Deutscher Dentisten steuerte für die moderne und vorbildliche Einrichtung 80000 Mark bei. Direktor Kimmich schildert die Ausbildung, die auch eine initiale Berufseignungsprüfung umfasst, welche er als Vorbild für andere Berufe sieht:

„Wer die Eignungsprüfung bestanden hat, wird nun drei Jahre lang praktisch bei einem staatlich geprüften Dentisten oder Zahnarzt geschult und besucht daneben die entsprechende Berufsschule, wo eine solche vorhanden ist. Hierauf folgt eine mindestens zweijährige Techniker-Assistentenzeit, in welcher der Anwärter sich praktisch vervollkommnet und dabei auch, was recht wichtig ist, wirtschaftlich unabhängig wird, sich sogar etwas ersparen kann. Dann erst kommt der wichtigste Abschnitt in der Ausbildung: die mindestens einjährige Ausbildung in unserem Institut. Hier wird der Assistent eingeführt in die medizinischen, chemischen, physikalischen und vor allem in die fachlichen, technischen Kenntnisse und Fertigkeiten des Berufs. Hier wird zunächst am Phantom, d.h. an einer Nachbildung des menschlichen Gebisses und dann am Patienten selbst gearbeitet. Und das alles unter der Aufsicht und Leitung und nach dem Vorbild hervorragender Fachleute. Es ist ein durch Tätigkeit erworbenes Wissen und ein vom Wissen durchleuchtetes Können, was hier erstrebt wird. Eine staatliche Prüfung schließt die Lernarbeit im Institut ab.“

Herr Kimmich dankt unter lebhaftem Beifall herzlich Staat und Stadt.

Der große Plombiersaal (Quelle: Erinnerungsblätter aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums)

Rundgang

Dem Bericht über den Festakt folgt eine Beschreibung des Rundgangs durch die neuen Institutsräume. Das Institut ist nun im Prinzessin-Wilhelm-Stift, der ehemaligen Mädchenschule, in der Sophienstraße ansässig und würde es für die nächsten 85 Jahre bleiben. Ein Eingang besteht auch durch die Kriegsstraße 170. Es gab im Vorbau einen kleinen, freundlichen Warteraum, von dem man den großen Plombiersaal mit nunmehr 23 Operationsstühlen betrat. Es war eine repräsentative Ausbildungsstätte. Dass ein Raum simultan für über 20 Patienten genutzt wurde, war zu dieser Zeit sehr wohl auch an den Universitäten üblich. Als das Haus 50 Jahre später zur modernen Fortbildungsakademie umgebaut wurde, blieb dieser Raum das Herzstück der zahnärztlichen Poliklinik. Er beherbergte dann jedoch nur noch 13 zahnärztliche Einheiten in abgeschlassenen kleinen Räumen.

Großer Hörsaal des Dentistischen Lehrinstituts (Quelle: Erinnerungsblätter aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums)

Die Klinik

Weiter gab es, wie in der Steinstraße, ein „Extraktionszimmer“. Es gab ein Röntgen- und Bestrahlungszimmer, einen großen und kleinen Techniksaal, ein Phantomzimmer, den Lehrer- bzw. Mikroskopierraum und den großen Hörsaal. Dieser Hörsaal hat als „Hörsaal 2“ der Zahnärztlichen Akademie bis 2014 der zahnmedizinischen Fortbildung gedient.

Glückwünsche und Ansprachen

Nach dem Weiheakt gab es ein „Frühstück“ im Hotel Germania mit 100 Ehrengästen und den Kolleginnen und Kollegen. Übermittelt wurden Glückwünsche vom Verbandsdirektor Kollegen Siebecke aus Berlin. Es folgten die Ansprache vom Badischen Staatsminister Dr. h.c. Remmele und zahlreiche Reden, die allesamt in vollem Wortlaut in der Quelle wiedergegeben sind. Hervorgehoben sei hier eine Passage über die Glückwünsche von Stadtrat Töpper als Vertreter der Stadt Karlsruhe:

„Als Nichtdentist muss ich sagen, dass die Dentisten auch angenehme Leute sind. Ich habe sie auch schon von anderer Seite kennen gelernt. (Heiterkeit). Ich möchte Sie daher bitten, meine verehrten Nichtdentisten, für all den Schmerz, den die Dentisten uns schon bereitet haben, sie heute kräftig zu schädigen, und zwar dadurch, dass wir kräftig ihren Wein trinken! Darum möchte ich Sie, meine verehrten Nichtdentisten, die Sie die Dentisten von der anderen Seite kennen gelernt haben, bitten, Rache zu nehmen an ihnen, indem ich Sie bitte, sich zu erheben und auf ihr Wohl der Gläser viele zu leeren (Heiterkeit und Beifall).“

Gelobt wurden in allen Ansprachen der persönliche Einsatz von Direktor Kimmich, die mustergültige Einrichtung des Instituts und die hervorragenden Leistungen des Instituts selbst.

 

Weitere Informationen:

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