Zahnärztliche Akademie

Zeitzeugen

2003-2020

Die Quellen:

Zusammenfassung der 2016 abgeschlossenen Dissertation von Dr. Steffen Müller, M.A., M.Sc. an der Universität des Saarlandes

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Vom ersten Abrechnungskurs zum Dr. med. dent. - ein Interview mit Dr. Steffen Müller, M.A., M.Sc.

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Seine Dissertation, den Masterwürfel und sein Namensschild hat er mitgebracht (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Der Start als Milchzahnkönig

Dr. Steffen Müller erscheint pünktlich zum Interview in der Akademie, in der er sich bestens auskennt. Bereitwillig beantwortet er die ihm gestellten Fragen und erzählt viel von sich aus. Man hört ihm gerne zu. Es stellt sich das Gefühl ein, er ist mit sich im Reinen. Schnell bemerkt man, er stellt sich in seinem Tun und Handeln den anstehenden Herausforderungen und geht diesen nicht aus dem Weg. Er ist fleißig und tatkräftig. So schnell scheint ihn nichts aus der Ruhe zu bringen.
Er erzählt von seinem Zahnmedizinstudium an der Universität Heidelberg, sowie von seinen Famulaturen in den Semesterferien in der Mund-Kiefer-Geschichtschirurgie bei Prof. Singer in Ludwigshafen, die ihm dort schnell den Spitznamen „Milchzahnkönig“ einbrachten. Er berichtet von seiner Praxisgründung, seinen Weiterbildungen, den beiden Masterstudiengängen und seiner Dissertation.

Dr. Steffen Müller: Das erste Mal war ich im ersten klinischen Semester und danach praktisch jedes Jahr in den Semesterferien bei Prof. Singer und habe dort meine Famulaturen gemacht. Meistens standen wir im OP und dort habe ich viel chirurgische Erfahrung gesammelt. Ich habe dann auch mal aufgeschrieben, wie viele Milchzähne ich da so gezogen habe, das waren bei fünf oder sechs Famulaturen, dann so weitaus mehr als 1000 Stück. Gut, wenn da einer Narkose bekommt, dann können das schon mal 20 Stück pro Patient sein und das summiert sich auf Dauer. Und damit hatte ich ihn klinikintern weg, meinen Spitznamen: „Milchzahnkönig“.

Praxiseröffnung und die ersten Fortbildungskurse

Dr. Steffen Müller: Ohne große betriebswirtschaftliche Erfahrung, fast blauäugig, habe ich mir Praxisräume gesucht und eine Neugründung auf die Füße gestellt, das war im September 2002. Als erstes musste ich zumindest ein bisschen Abrechnung lernen, also waren die ersten Kurse bzw. Weiterbildungen, alles Kurse bei der Daisy oder sonstige Abrechnungskurse, um zu schauen, wie der Hase läuft. Das ging so ein halbes Jahr und dann habe ich eine Abrechnungshelferin bekommen. Damit wurde es mit der Abrechnung bei mir wieder ein bisschen weniger, es war zwar immer noch wichtig, aber die wissenschaftliche Entwicklung geht ja nun doch irgendwie weiter.
Beim Studium haben sie es dir tagtäglich erzählt, aber da bist du ja nicht mehr, also musst du Fortbildungen machen und dann habe ich geschaut wo überhaupt Fortbildungen sind. In den Fachzeitschriften stand natürlich überall wunderviel drin. Und dann kann ich mich erinnern, bei meinem ersten Chef, also bei meiner ersten Assistentenstelle in Pforzheim, hing im Wartezimmer eine riesengroße Urkunde „Zahnärztliche Akademie Integrierte Zahnheilkunde“.
Danach habe ich spezifisch gesucht. Das war dann glaube ich auch mein allererster Kurs. Insgesamt waren es schon ein paar Stunden und das fand ich ganz gut und interessant. Damit war ich fachlich etwas gebildeter und dann kam eins nach dem anderen. Als nächster Kurs folgte Endo. Was für mich eben gut war, war die Qualität der Kurse, also soweit ich das beurteilen konnte. Was für mich damals wie heute beeindruckend war, die Kurse wurden einleitend immer eröffnet, entweder von Prof. Walther oder durch Prof. Heners. Das fand ich richtig gut und beeindruckend. Das waren schon Persönlichkeiten, besonders wenn dann auch der Prof. Heners gesprochen hat. Und dann habe ich eben Kurs für Kurs besucht.

Akademie: Was fandst Du gut an der Eröffnung und an den Kursen?

Dr. Steffen Müller: Es waren halt Persönlichkeiten. Ich fand gut, dass die dastanden und sie so frei und ehrlich gesprochen haben, dass sie über die Thematik gesprochen haben, dass sie aber auch über Tricks gesprochen haben und nicht gesagt haben, die Füllung z.B. macht man so und so, wie man das von der Uni kennt, sondern es gibt die Palette an Möglichkeiten, man kann es so machen oder aber auch so machen.
Ich glaube es war in der „Integrierten Zahnheilkunde“, das ist jetzt schon so lange her, da stand der Prof. Heners vor dem Auditorium, nein, er hatte eine Live-Demo gemacht, wie präpariere ich einen Zahn für ein Teleskop, wie mache ich eine Telearbeit. Das war noch in der alten Akademie, das war im Hörsaal 1, da wo die hölzernen Sitzreihen so runter gehen. Unten stand der Behandlungsstuhl und dann kam der Patient rein, den musste man auch schon stützen, der konnte kaum noch gehen und dann sagte der Prof. Heners: „Also, da wollen wir folgendes machen, dieser Patient bekommt eine Telearbeit, aber wir müssen den zu präparierenden Zahn, den müssen wir festhalten beim Präparieren, damit er nicht rausfällt.“
Also, das fand ich ja schon mal beeindruckend und stellte mir die Frage: kann man das überhaupt so machen? Ich dachte, wenn er Professor ist, dann wird das schon gehen. Dann hat er es erklärt, warum, wegen der Beziehung, dass die Zähne indirekt über das Gehirn auf die Kaumuskeln auf die Kaufunktion wirken und es schon indiziert sei, einen Zahn solange es irgendwie geht zu erhalten, wenn es der Patient natürlich mitmacht und wünscht. Er hat natürlich nicht gesagt, wenn die Therapie schiefgeht und die Sache zum Gutachter geht, dass man dann auf Grund der Vorschädigung des Zahnes der Katz gehört.
Und dann hat er erzählt von den Teleskoparbeiten und aus seinem reichen Erfahrungsschatz berichtet, dass er eben, er hat von einem Fall erzählt, da hat er bei einem Patienten eine Teleskoparbeit im OK gemacht und der Patient war mit dem Ergebnis unzufrieden, ich weiß es nicht mehr genau, war er unzufrieden oder hat es geschaukelt, irgendwas war jedenfalls und dann hat er seinen Techniker angewiesen, trenne diesen Gaumenbügel raus und damit war die bügellose Teleskoparbeit im Oberkiefer geboren.

Akademie: Hast Du das dann auch so umgesetzt?

Dr. Steffen Müller: Ja, wir haben zu diesem Zeitpunkt noch sehr viele Telearbeiten in der Praxis gemacht und ich war davon so begeistert, dass es funktioniert hat und die Patienten waren ebenso begeistert, dass nichts am Gaumen war. Ich glaube der Prof. Heners hat das erfunden mit der gaumenlosen Prothese, zumindest hat er es mal publiziert. Er hat in diesem Zusammenhang auch erzählt, dass er ein bisschen Häme einstecken musste. Aber das System funktioniert einwandfrei, es ist nach wie vor etabliert und wird jetzt sogar von den Krankenkassen akzeptiert.

Als Masterstudent an der Universität Magdeburg (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Der Masterstudiengang M.A. Integrated Dentistry

Dr. Steffen Müller: Am Anfang waren es Einzelkurse, dann kamen strukturierte Fortbildungen, es hätte da bestimmt noch einige gegeben, aber dann kam dieser Masterstudiengang und ich habe sofort damit geliebäugelt. Jedenfalls habe ich die Unterlagen angefordert und mich beworben. Angefangen habe ich 2005, das war das zweite Matrikel. Das war immer Zeit versetzt?

Akademie: Das erste Matrikel war von 2004 bis 2006.

Dr. Steffen Müller: Ja genau und wir waren dann ein Jahr später, 2005 bis 2007. Wir haben auch noch vom ersten Matrikel profitiert, weil alles noch im Aufbau war.

Akademie: Hattest Du Dich schon für das erste Matrikel beworben?

Dr. Steffen Müller: Nein, als ich aufmerksam wurde, da war die Anmeldefrist schon rum. Weil ich es aber unbedingt wollte, habe ich mich dann für das Zweite beworben. Ich habe gedacht, dass zweite Matrikel ist gar nicht so schlecht, wir sind nicht die Ersten und das Konzept des Studienganges ist bestimmt noch in gewisser Weise formbar. Man muss Prüfungen absolvieren, Kursarbeiten schreiben und am Ende eine Masterarbeit schreiben, das wusste man ja alles und ich dachte, hast zwar noch keine Doktorarbeit, aber irgendwie wird es klappen. Besonders fand ich eigentlich dieses Gesamtkonzept spannend, nicht nur das Eine, sondern alles und umfassend. Überall ein bisschen und da vor allem das Wichtigste.

Akademie: Was hast Du für eine Masterarbeit gemacht?

Dr. Steffen Müller: Meine Masterarbeit, die habe ich geschrieben bei Prof. Marotzki, weil ich ihn irgendwie bewundert habe. Er war mir sympathisch. Ich weiß nicht warum, ich lag irgendwie mit ihm auf einer Wellenlänge. Ich habe über „Mc Zahn“ eine Masterarbeit geschrieben. Also, das war eine Diskursanalyse, wo Zeitungs- und Presseartikel gesammelt und auswertet wurden, also Analyse von Akteuren und Nichtakteuren in den Interviews und Artikeln, sowie deren Inhalt rausziehen und analysieren. Ich fand das recht spannend, weil das nicht so ganz rein zahnmedizinisch war und trotzdem in eine interessante Richtung ging. Und dann, dann hatte man den Master. Jetzt heißt du Zahnarzt Steffen Müller und dann M.A. dahinter.
Und wieder kamen die Überlegungen, dass es irgendwie mit der Dissertation als nächstes funktionieren muss. Mir war es prinzipiell egal bzw. mir wäre es prinzipiell egal gewesen, aber meine Mutter, die hat dann immer gesagt, also probier’s doch wenigstens nochmal, mache es doch. Und dann dazu auch noch ein paar Kollegen, die gesagt haben, was du da alles so an Therapie in deiner Praxis machst, es kommen viel Patienten, es würden aber mehr Patienten kommen, wenn du einen Doktor hast. Also, wenn ein Doktor davorsteht, meint ihr, kommen mehr Patienten, da habe ich so bei mir gedacht, das glaube ich nicht, aber ich wollte es unbedingt probieren.

Akademie: Und kommen jetzt mehr Patienten?

Dr. Steffen Müller: Das kann ich nicht sagen, aber ich kann sagen, ich kann mit einem anderen Gefühl behandeln. Also sagen wir mal so, wenn du was machst und es geht was schief, was ja immer passieren kann oder auch nicht schief, aber der Patient ist mit der Arbeit aus irgendwelchen Gründen trotzdem nicht zufrieden, entweder man kann die Gründe nachvollziehen oder auch nicht. Erklärst du ihm dann irgendwas und dann sagt bzw. denkt der Patient: Sie haben ja noch nicht mal einen Doktor. Also, viele Patienten setzen ja voraus, so habe ich den Eindruck, wenn du keinen Doktortitel hast, dann bist du eben kein richtiger Arzt. Du kannst es noch nicht richtig, du bist irgendwie noch in Ausbildung, hatte ich so das Gefühl. Mit dem Doktortitel, es kann aber auch psychologisch bei mir sein, dass es von hinten wirkt. Du hast ein selbstsicheres Auftreten, was kostet die Welt, was wollt ihr von mir, du kannst die Sachen anders begründen und die Patienten hören auch anders zu und akzeptieren deine Meinung, die du sagst. Es kann wie gesagt auch ein subjektives Gefühl sein.

Der zweite Masterstudiengang M.Sc. Orale Rehabilitation

Dr. Steffen Müller: Dissertation – das muss jetzt werden und dann kam irgendein Flyer. Die Uni Witten macht einen Masterstudiengang mit der Option zur Dissertation. Ich dachte sofort, das wäre doch was und habe die Unterlagen angefordert und mit dem Studiensekretariat telefoniert. Dort gab es die Auskunft: Jaja, ist alles kein Problem, man macht den Masterstudiengang und aus dem Masterstudiengang heraus entwickelt sich die Dissertation. Dann habe ich gefragt, geht es auch ohne den Masterstudiengang, ich würde eigentlich gerne nur die Dissertation schreiben. Nein, war die klare Antwort, das würde nicht gehen, da hätten sie schon zu viele, da hätten sie eigene Studenten. Also, dann habe ich zu mir gesagt, gut okay, dann mach eben den Masterstudiengang auch noch, das war jetzt der M.Sc.
Das waren insgesamt auch zwei Jahre, bis 2010. Beim Prof. Zimmer, das ist jetzt der Dekan, habe ich meine Masterarbeit geschrieben. Masterarbeit, ich wusste ja wie das geht, aber es war dann eben doch ein bisschen komplizierter, denn es war jetzt ein rein zahnmedizinisches Thema. Hier wurde wieder Wert auf andere Sachen gelegt, also nicht gesellschaftlich diskutieren, sondern mit irgendwelchen Zitaten argumentieren und diese heranziehen, um Meinungen zu untermauern oder zu widerlegen. Es war schon bisschen anders. Es ging um Kariesprävention. Prof. Zimmer ist auf diesem Gebiet ein ausgesprochener Spezialist. Aber geschafft habe ich es und den Masterstudiengang mit dem M.Sc. beendet.
Komischerweise sind wir die Einzigen, die diesen Masterstudiengang gemacht haben. Nach unserem Durchgang haben sie diesen Masterstudiengang umgewandelt in einen Masterstudiengang für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen. Wir wurden verabschiedet und es wurde gesagt, sie haben was ganz Besonderes, sie haben den Master „Orale Rehabilitation“ und den wird es in dieser Form nicht mehr geben. Der Masterstudiengang war sehr interessant und hat mich auch vom Wissensstand her weitergebracht, aber mit der Dissertation, wie soll es anders auch sein, war es dann auch nix.

Die Eröffnungsveranstaltung „Der Weg zum Dr. med. dent.“ im Jahr 2014 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Curriculum „Der Weg zum Dr. med. dent.“

Dr. Steffen Müller: Und dann weiß ich noch, die Post kommt bei uns immer so um 11 Uhr und an diesem Tag kam die Post ein bisschen später und meine Helferin knallte mir die Post auf den Schreibtisch und sagte, sie mache jetzt Mittagspause und ich sagte, ja, dann mach mal. Flüchtig überflogen habe ich gesehen, oh, ein Heft von der Akademie, okay, naja gut, hast nichts zu tun, liest du mal ein wenig drin. Also das kam mit Anschreiben von Frau Nürnberger. Ich schaue immer zuerst auf die strukturierte Fortbildung. Ich habe immer mal spekuliert noch einen Paro-Kurs zu machen.
Und da stand es dann: Der Weg zum Dr. med. dent., wow, die Seite aufgeschlagen und gelesen. Es dauerte keine 5 Minuten da habe ich die Frau Nürnberger angerufen, die kannte mich ja durch meine vielen Kurse an der Akademie, Frau Nürnberger was ist das, wie geht das, ich brauche mehr Informationen. Und dann hat sie mir das eben erklärt, wie das so laufen wird. Es gibt eine Einführungsveranstaltung und da erklären sie wie das alles praktisch funktioniert und abläuft. Man lernt das wissenschaftliche Arbeiten, quasi die Basis, so war die Vorinformation. Und ich dachte, na gut, wissenschaftliches Arbeiten, ja gut machen wir es: Frau Nürnberger mich bitte einschreiben. Ich glaube, ich war der Erste.
Der Einführungskurs war glaube ich Mitte Februar. Er war sogar ausgelagert, war gar nicht in der Akademie. Der ganze Raum war voll. Da saßen 30, 35 Mann. Da haben sie erzählt was das so ist, was man von uns erwartet und wie es ablaufen wird, der Prof. Hannig, der Prof. Rupf und der Prof. Walther. Sie haben erzählt was ist eine Dissertation, wie baut man die auf, haben vom Literaturstudium erzählt, alles gut und nachvollziehbar erzählt. Aber geht es jetzt weiter und dann kam der Knackpunkt, man macht jetzt den Kurs „Wissenschaftliches Arbeiten“, der geht insgesamt zwei Jahre und diesen Kurs schließt man ab mit einer wissenschaftlichen Arbeit. Diejenigen, die nicht weitermachen möchten, können sagen, das ist eine Masterarbeit und die, die wirklich den Weg zum Dr. med. dent. machen wollen, der sich dann erst anschließt, die können das Thema bzw. ein ähnliches Thema weiterbearbeiten. Also man lernt im Prinzip die Grundlagen, wie man eigentlich wissenschaftlich an so ein Thema rangehen sollte. Man hat schon gemerkt, als dann diese Hauptinformation rumkam, dass dann viele sagten, das will ich ja nicht. Ich dachte, ich mache hier irgendwas und dann habe ich meinen Doktor.
Für mich war das anders. Wenn ich etwas anfange, dann mache ich das auch zu ende. Die Veranstaltung wurde von Prof. Walther mit den Worten beendet: man kann sich bewerben und sie nehmen aber nur sechs oder sieben Mann oder Frau, weil die Professoren als zukünftige Doktorväter nebenbei nicht so viele betreuen können. Der Raum war noch gar nicht komplett leer, da war ich schon beim Prof. Walther und habe gesagt, bitte mich unbedingt einschreiben, ich bin dabei.

Akademie: Wie viele Leute waren beim eigentlichen Kurs dabei?

Dr. Steffen Müller: Sechs oder sieben Leute waren da. Es ging immer in entsprechenden Etappen, das waren Kurse mit entsprechenden Hausaufgaben. Beim ersten Kurs ging es darum wie kann man eine wissenschaftliche Arbeit strukturieren und wie man sich für ein Thema entscheidet und es erarbeitet. Es gab eine grobe Themenauswahl und dann wurde gefragt welches Thema würden sie denn gerne bearbeiten, wo gehen ihre Interessen hin. Und ich saß da und dachte, wenn sie dich am Schluss fragen, bleibt vermutlich nicht viel übrig. Und dann wählten die Anderen Themen, die sich rund um die Füllungstherapie bewegten, Klebekraft von Füllungen, Haftvermittlung, Fissurenversiegelung.
Dann kam ich an die Reihe und ich sage, ich könnte mir vorstellen, ich mache irgendwas in Richtung Endo. Mich interessiert z.B., wie klebt da die Wurzelfüllung wirklich im Kanal drin. Und dann sind die Professoren hellhörig geworden, weil ich ein anderes Thema angesprochen hatte. Und im Verlauf der weiteren Diskussion nachher hat der Prof. Hannig gesagt, ja, es würde da etwas geben, also die Matrix-Metalloproteinasen, da gibt es sehr wenig Literatur, das ist jetzt im Kommen und da könnte er sich vorstellen, dass man da mal etwas macht, ein wenig Grundlagenforschung. Dann habe ich überlegt und gesagt, ja gut, okay, hatte dazu natürlich keinen blassen Schimmer, aber es hat sich interessant angehört und dann ging es los und es kam zur ersten Hausaufgabe. Zuvor wurde, für jeden Teilnehmer ein relativ grob begrenztes Feld ausgewählt und dann ging es darum, dass man gesagt hat, jetzt schaut doch mal, jetzt macht mal eine Literaturstudie. Wenn ihr Literatur braucht, schickt uns eine E-Mail. Und so habe ich eine Literaturliste zusammengestellt und die war schon ganz ordentlich. Das war dann schon eine ganze Menge was ich an Literatur über die MMP‘s da zusammengetragen hatte. Im zweiten Kurs wurde das Thema weiter konkretisiert. Ich durfte mich jetzt mit Matrix-Metalloproteinasen im Dentin von menschlichen Zähnen und speziell im Wurzeldentin beschäftigen.
Und jetzt schreibt mal eine Einleitung zu dem Thema sozusagen eine Literaturübersicht, hieß es als nächste Hausaufgabe. Wir hatten glaube ich vier Wochen Zeit die Einleitung zu schreiben und irgendwie habe ich das dann alles gesichtet und geschrieben, nach der Praxis und manchmal auch zwischen zwei Patienten. Eigentlich hätten wir die Einleitung zur Kontrolle abgeben bzw. einreichen müssen, an einem Montag oder Dienstag vor dem Kurs, der wie immer an einem Freitag war. Jedenfalls habe ich das verpennt oder habe da nicht dran gedacht. Mich rief dann einer von der Uni an und sagte: „Herr Müller haben sie noch nichts geschrieben?“ Ich sage doch, ich habe alles fertig. Ich kann ihnen das sofort schicken. Nachdem der Patient behandelt war, habe die Einleitung, die einführenden Worte hingeschickt und bei mir gedacht, naja das fängt ja gut an irgendwas wird da noch kommen, die werden dich auseinandernehmen mit deiner Einleitung. Abends so gegen zehn, ich checke da immer nochmal die Mails, habe ich die Nachricht vom Prof. Rupf. bekommen. Pulsschlag bis zum Hals! Mal sehen was er schreibt: „Sehr gut, sehr gut, ist ja fast schon perfekt, man muss ja fast nichts mehr ändern, nur ein paar Kleinigkeiten.“ Oh, hoppla, und so fing sie dann an, meine bescheidene wissenschaftliche Karriere. Und dann war die Einleitung geschrieben über das globale Thema und nach und nach hat sich das eigentliche Thema herauskristallisiert. Und so haben wir die Studie in Homburg aufgelegt, haben untersucht im wissenschaftlichen Labor. Extrahierte Zähne habe ich selbst suchen dürfen, die habe ich von überall her, aus der Praxis, der Uni und aus der Kieferchirurgie, haben ja an natürlichen, menschlichen Zähnen untersucht und haben dann die ganzen Parameter zusammengestellt, Zähne vorbereitet und letztendlich untersucht. Und die Arbeit hat richtig Spaß gemacht. Und als die Themen alle mal so abgearbeitet waren, ging das Schreiben los, nicht der Dissertation, aber die Arbeit für die Abschlussprüfung zum wissenschaftlichen Arbeiten. So jetzt müssen sie schreiben hieß es, vor allen die Ergebnisse und die entsprechende Diskussion dazu. Ich habe dann in der Praxis und habe auch danach geschrieben, wenn das bis nachts ging, das störte mich nicht, weil jetzt hatte mich der Ehrgeiz gepackt. Wie gesagt, so ging es dann, es war Weihnachten besser gesagt der Kurs so kurz davor und im Februar haben wir die geschriebene Arbeit einreichen müssen. Herr Müller, sie sind ja immer einer der Schnellsten, reichen sie das mal gleich Anfang Januar ein, dann müssen wir nicht so viel auf einmal lesen und korrigieren. Da dachte ich mir, hoppla, warum wisst ihr, dass ich schon soweit bin und warum wieder ich. Ich hatte die Arbeit mit im Skiurlaub und fertiggestellt. Mit Laptop und Internet gar kein Problem. Da kamen auch keine großen Änderungen mehr. Also das war soweit in Ordnung und wir haben die Arbeit Ende Februar verteidigt.

Akademie: Wie ging es weiter?

Dr. Steffen Müller: Nach dem Kurs gab es wieder Vorgespräche, ich war auch mehrmals in Homburg und dann hat man geschaut, wie man die wissenschaftliche Arbeit, die man als Grundlage ansah, ein bisschen nach oben auffächert zu einem Dissertationsthema. Und das haben wir dann gemacht, da kamen nochmal zusätzlich ausgedehnte Studien dazu, nochmal Studien, Literaturrecherche und dann lief das, ich glaube 2016 war das, nein, 2016 bin ich fertig geworden, im Februar 2015 war der Kurs zu ende, danach war das. Dann plätscherte es mit den Untersuchungen so dahin. Das Konstrukt steht ja schon, jetzt fang an zu schreiben.
Und dann ging auf einmal alles superschnell. Untersuchungen fertig. Statistik. Ja, Statistik schickst Du mir. Wir haben statistische Programme, die das auswerten können, sagten die Homburger. Ein bisschen konnte ich schon selbst machen. Und dann entwirfst du ein paar Grafiken, schreibst die Ergebnisse und die Diskussion. Und dann ging das eigentlich super fix durch. Mit mir war da Frau Seidel, wir standen immer etwas im Wettlauf, wer ist schneller fertig (lacht). Und dann hatten wir aber lange nicht telefoniert und irgendwann rief sie mich an und fragte: und wie sieht es aus? Und dann sagte ich, ja, ich habe letzte Woche, ich war in Homburg und habe die Dissertation eingereicht. Dann sagt sie: Du auch? Ich auch. Wir haben uns ja gar nicht gesehen, haben aber festgestellt, dass wir am gleichen Tag die Dissertation eingereicht haben. Das war dann auch irgendwie noch so ein Highlight. Dann war es so, mein Zweitgutachter hat wohl irgendwie eine Zeitverlängerung beantragt, jedenfalls hat sie ihre Dissertation drei Wochen eher verteidigt.
Es war so, ich glaube, am 19. Dezember 2016 musste ich nach Homburg und da war die große Verteidigung, ja 2016 war das. Da war dann alles klar. Im Januar kam dann die heißersehnte Urkunde. Dr. med. dent. und das mit „magna cum laude“. Es war eine schöne Zeit, arbeitsreich, aber es hat viel Spaß gemacht.

Vorsitz im Masternetzwerk Integrated Dentistry

Akademie: Und es geht ja noch weiter. Wenn ich es richtig weiß, Du bist aktuell der Vorsitzende des Masternetworks?

Dr. Steffen Müller: Ja gut, das ist das eventuell das zweite Standbein (lacht), nicht Standbein, aber mit dem Masterstudiengang M.A., also da gab es ja den Masterverein, vom ersten Matrikel gegründet. Er beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Themen rund um die Zahnmedizin und rund um die Professionsforschung der Zahnärzte. Bei uns war das so: Wir sind da alle freiwillig eingetreten. In Baden-Baden war immer Hauptversammlung, dann gab es die Mastertreffen und natürlich die Arbeitstreffen zur Vorbereitung von wissenschaftlichen Beiträgen, z.B. für die Herbstkonferenz in Baden-Baden. Ja klar, Masterverein war immer Master, wir haben die Nadel getragen und waren immer bei der Karlsruher Konferenz oder in Baden-Baden an den Ständen und haben uns präsentiert.
Und irgendwann kam jemand und hat gefragt, willst Du da nicht in den Vorstand kommen oder den Chef machen, du bist immer sehr aktiv und hältst auch für den Verein so den ein oder anderen Vortag. Damals war es so, da hatte ich viel mit der Praxis zu tun, ich kann zwar im Vorstand mitarbeiten, aber recht wäre es mir, wenn ich erst in der nächsten Wahlperiode, weil ich bin jetzt auch noch im Tennisclub bei uns Zweiter Vorsitzender bin und da war auch eine Menge zu tun, wir haben den Tennisclub umstrukturiert. Das ist eine Menge Arbeit neben der Praxis. Ich dachte schon der Kelch ist an dir vorübergegangen, aber ein Jahr später kam erneut eine Anfrage. Na gut, okay, aber Vorsitzender nicht, aber ich arbeite erst mal mit und dann haben sie mich in den erweiterten Vorstand gewählt und ich dann habe ich mit Michael Seitz gearbeitet und dann hat er mich zum Ersten Vorsitzenden vorgeschlagen. Wie viel Arbeit ist das denn? Ich wusste es ja und dann haben sie mich im letzten Jahr zum Vorsitzenden gewählt, ich wollte letztendlich auch meiner Verantwortung gegenüber unserem Berufsstand gerecht werden.

Dr. Steffen Müller, M.A., M.Sc. referiert bei der Herbstkonferenz 2018 (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Reflexion der eigenen Leistung

Akademie: Du hast das Konzept der Akademie durchgezogen. Wie hat Dich das geprägt? Oder anders gefragt: Gibt es irgendetwas was Du so nicht erwartet hast?

Dr. Steffen Müller: Was ich nicht erwartet habe (sinniert). Früher war es so, man geht in irgendeine Fortbildung und dann steht der Vortragende oder der Referent vorne und fragt: „Wie machen sie das in ihrer Praxis?“ Ganz lapidare Frage. Und dann meldet sich immer niemand und mein Kopf war auch immer ganz unten. Ich denke, warum muss man jetzt was sagen, ich will eigentlich nicht sprechen, nichts sagen, nicht, dass ich da Angst hatte etwas zu sagen oder überhaupt freizusprechen, aber es war ganz einfach nicht mein Metier. Ich wollte das nicht unbedingt. Und das ist was ich sagen muss, durch die Kurse, man muss ja in jedem Abschlusskurs einen Abschlussvortrag halten oder einen Prüfungsvortrag und das war dann schon so, dass dies mir beim Kurs Integrierten Zahnheilkunde doch noch etwas schwerfiel, denn das war der erste Kurs, wo ich da eine Patientenvorstellung halten musste. Und dann dachte ich mir, na gut, lief ja eigentlich ganz gut. Mittlerweile ist es so, dass mich das gar nicht mehr stört. Das habe ich jetzt einfach gelernt, also Arbeiten zu schreiben, wissenschaftlich zu arbeiten und vor allem freizusprechen, einen Vortrag zu halten. Also es stört mich nicht in Baden-Baden, wie viele sind da 250, 300 Personen, sich dahinzustellen und einen Vortrag zu halten.
Man nimmt Sicherheit mit, vor allem wenn ich jetzt speziell an die Endo-Kurse denke, also man ist jetzt erst mal selbst dabei und macht so ein bisschen, bereitet auf und probiert so ein bisschen was und merkt dann, also das gibt unwahrscheinlich Sicherheit, ein sicheres Gefühl, gut zu arbeiten, alles richtig zu machen, gut es geht immer mal was schief, aber man weiß sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Und was ich auch noch gut finde, was sehr viel zum Selbstbewusstsein beiträgt, ist du sitzt ja nicht allein da, sondern da sitzen ja fünf, sechs, sieben, zehn andere da in dem Kurs und man kann ein bisschen vergleichen.
Ich hatte einen Fall vorgestellt bei der ästhetischen Zahnheilkunde mit einer Versorgung mit 12 Veneers von 13-23 und von 33-43. Das habe ich gut fotodokumentiert und vorgestellt, dann sagte der Prof. Manhart von der Uni München, der hat den Kurs geleitet und die Prüfung abgenommen: „Sehr gute Arbeit, gelungene Versorgung“. Am Ende haben wir uns unterhalten und er sagt: „War ja ein ganz ordentliches, hervorragendes Ergebnis gewesen.“ Und da sage ich, war ja auch teuer für den Patienten, hat einen mittleren vierstelligen Euro-Betrag bezahlen müssen und dann sagt er: „Was nur, also in München hätte es mindestens das Doppelte gekostet.“
Man lernt unwahrscheinlich, wenn man sich mit den Kollegen unterhält. Und ohne sich jetzt selbst zu sehr loben zu wollen, ohne Selbstüberschätzung zu haben, man kann sich ja so ein bisschen selbst beurteilen gegenüber den Kollegen und denkt, naja, was die da machen, machst du anders, besser vielleicht, das trägt natürlich mit zum Selbstbewusstsein bei, ohne dass man die Kollegen jetzt abwerten will, aber einige können nicht so gut schreiben, einige können nicht so gut vortragen, da ist der Vortrag nicht so gut, der ist dann bei mir vielleicht wieder besser, oder die Behandlung oder das Ergebnis, wenn man das so vergleicht mit seinen Sachen, die man da so macht. Da denkt man, ja okay, da haben wir schon bessere Sachen gemacht und das ist eben das Zutrauen oder die Zuversicht in die eigene Leistung, also Selbstbewusstsein, das habe ich dort unwahrscheinlich viel gelernt und davon zehre ich im Prinzip heute noch.

Akademie: Was hat Dir die Akademie gebracht? Das hast Du jetzt klar beantwortet mit Sicherheit, Selbstbewusstsein und das Einsortieren der eigenen Leistung.

Dr. Steffen Müller: Einsortieren der eigenen Leistung, zu wissen, wo man steht, und dass kenne ich jetzt aus der eigenen Praxis, wenn man da arbeitet ist man Einzelkämpfer. Aber man ist aber im Prinzip kein Einzelkämpfer, denn man ist Mitglied einer Profession. Klingt jetzt wieder ganz gehoben, aber man ist Mitglied der Zahnärzteschaft und das ist ja die eigentliche Profession.

Akademie: Diese Vokabeln waren Dir aber vorher auch nicht bekannt, oder?

Dr. Steffen Müller: Nein, das lernt man dann, das habe ich das erste Mal gehört beim Prof. Marotzki, der hat nämlich den Einführungsvortrag im Masterstudiengang gehalten und da dachte ich mir, hoppla, das ist ja interessant. Man fühlt sich dann auch obwohl man in der Praxis alleine arbeitet, in der Gemeinschaft verbunden. Und meine Helferinnen sagen auch immer, wie sagen sie immer: „Ach Chef, du bist schon wieder so kribbelig in letzter Zeit, gehe mal wieder irgendwann zur Fortbildung und unterhalte dich mit deinen Kollegen, da hast du gleich bessere Laune.“ Also es macht mir ja auch unwahrscheinlich viel Spaß auf Fortbildung zu gehen.

Akademie: Und Deine Mitarbeiterinnen hast Du die auch schon zu uns zur Fortbildung geschickt?

Dr. Steffen Müller: Oh ja, die sind Dauerkunde hier. In der Akademie habe ich meine, man kann ja nicht sagen Ersthelferin, aber die wurde über die Akademie zur Praxismanagerin und zur Fachkraft für Qualitätsmanagement ausgebildet. Also meine Helferinnen machen alle Kurse über die Akademie. Da gibt es auch nichts anderes, weil ich das auch so will, weil ich das Institut schätze. Und ich sage, okay, das funktioniert, und die Kurse sind gut, da geht ihr hin. Auch haben sie hier alle Hygienekurse gemacht. Eine ist momentan wieder hier und belegt den Kurs Praxisverwaltung, die möchte mal in die Abrechnungsschiene und Richtung ZMV gehen. Und alle sind auch immer dabei auf der Karlsruher Konferenz und Baden-Baden sowieso. Also meine Helferinnen, die lieben, die schätzen die Akademie.

Akademie: Gibt es noch irgendwas was Du der Akademie wünscht zum 100-jährigen Jubiläum?

Dr. Steffen Müller: Ja, erst mal ganz herzlichen Glückwunsch für die 100 Jahre. Dann, dass die Akademie auf jeden Fall so bleibt, dass das vielfältige Weiterbildungsangebot so bleibt und natürlich auch das spezielle Weiterbildungsangebot, dass auch in Zukunft immer aktuelle wissenschaftliche Themen und auch „heiße Eisen“ angefasst werden, dass man sich damit beschäftigt was den Berufsstand bewegt. Na gut, jetzt ist es ja schon raus wer der neue Nachfolger wird, dass sie auf alle Fälle einen guten Nachfolger kriegt. Und dass der Nachfolger, man sagt ja immer neue Besen kehren anders, dass es zumindest in Sinne von Prof. Heners, also so wie es Prof. Heners aufgebaut hat und wie es Prof. Walther dann letztendlich weiterentwickelt hat, und dass es auf diesem Niveau weitergeht. Und dass, wir uns bzw. die Akademie, sich von den anderen Instituten nicht unterbuttern lässt, sondern immer weiterhin der Fels in der Brandung für Wissenschaft und Fortbildung und den Berufstand ist.

Akademie: Schön, Danke!

 

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