Zahnärztliche Akademie

Zeitzeugen

1983 ...

Die Quellen:

Aus den 80ger Jahren, als die zahnärztliche Behandlung der Berichterstatterin begann, gibt es nur wenige Bilder aus der Poliklinik. Sie wurden zumeist anlässlich des Besuchs von ausländischen Delegationen gemacht. Hier sind Bilddokumente zu sehen, die Besucher aus Japan, Kuwait, Ägypten und China zeigen. Der Direktor und der OA der Poliklinik hatten dann die Aufgabe, den Besuchern das Haus zu zeigen.

Eine Patientin erinnert sich

von D. W.
Ein Behandlungsraum für die allgemeinzahnärztliche Behandlung 1985 mit Gast aus Japan (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Eine Patientin erinnert sich

Beim Aufräumen habe ich heute ein altes Terminkärtchen der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe gefunden. Es ist aus dem Jahre 1983. Als ich die Zahnärztliche Poliklinik damals kennenlernte, hätte ich nicht gedacht, dass wir eine so lang andauernde Beziehung haben würden.
Ich komme aus einer Gegend, in der sich die Freundinnen meiner Mutter noch in den siebziger Jahren die Zähne ziehen ließen, um „Ruhe zu haben“. Das habe ich als Jugendliche schon nicht verstanden.
Später, als ich mich unfreiwillig von etlichen Zähnen trennen musste, erzählte mir der Arzt in unserer Familie von der „Akademie für Zahnärztliche Fortbildung“ in Karlsruhe. Dort hielt man offensichtlich die eigenen Zähne für die besten und den Verlust derselben für dramatisch. Klar, dass ich mich dorthin wendete in der Hoffnung, den bestmöglichen Ersatz für meine verlorengegangenen Zähne zu bekommen.

Ich war 19 Jahre alt, als ich die Akademie im Sommer 1983 zum ersten Mal betrat

Durch einen schönen Hof und unter dem dichten Blätterdach alter Linden gelangte man in ein helles Wartezimmer, das gleichzeitig ein riesiger Wintergarten war: grüner Linoleumboden, braunrote Geländer, üppige Pflanzen. Alles ganz modern. Anders als die Zahnarztpraxen bei uns auf dem Land. Und anders als die alte Uniklinik in Heidelberg, die ich auch von innen kannte. Mittendrin Frau H. hinter der Rezeption: „Hier geht es rund. Aber jeder kommt dran. Alles wird zu aller Zufriedenheit geregelt werden.“ Diesen Eindruck vermittelte sie jedem, der sich anmeldete.
Gepolsterte Stühle entlang der Wände. Eher anspruchsvolle Illustrierte auf einem Zeitschriftentisch. An einem Extra-Tisch bemalten Kinder bereitgelegtes Papier.

Ich lernte den Kieferchirurgen Dr. Dr. W. kennen, der begeistert begann, mir jungem Menschen wieder zu einem brauchbaren Gebiss zu verhelfen. Den Kollegen erzählte er wiederholt und gerne die Geschichte meines Unfalls, die jedes Mal dramatischer wurde. Mit liebevoller Nachdrücklichkeit bestand er auf einer Therapie ohne Kompromisse, wenn meine eigene Begeisterung gelegentlich nachließ. Auch künstliche Zähne wachsen nicht über Nacht. Und so kam ich immer und immer wieder. Es wurde Herbst. Herr M. fegte die Blätter der Linden zusammen. Man machte ein Schwätzchen und erfuhr einiges über Rumänien und die Menschen dort.
 

Die Zeit verging

Manchmal hatte ich zwei Termine an einem Tag. In der Pause ging ich mit meinen Eltern in die Pizzeria Centrale, nicht weit von der Akademie entfernt. Es gab Pizza und hinterher einen deutschen Cappuccino mit Sahnehaube.
Ich kannte mich inzwischen gut aus. Im Untergeschoss konnte man sich im Vorraum zur Toilette die Zähne putzen. Unten war auch das Röntgen. Auch hier befand sich ein kleiner Wartebereich. Die netten Mitarbeiter, die man nun schon häufig gesehen hatte, waren jetzt bereits alte Bekannte.

Manche Gesichter verschwanden mit der Zeit

Viele waren aber immer da. Einer, der ging, war mein prothetischer Behandler, Dr. B. Ich war ziemlich entsetzt. Bei unserem letzten gemeinsamen Termin stellte er mir den Nachbehandler vor. Dr. W. war nicht ganz so humorvoll, aber sehr ausgeglichen. Er summte beim Arbeiten und war ansonsten sehr schweigsam. Aber es entwickelte sich alles auf sehr positive Weise. Wir kamen voran.
Die Terminkärtchen, die ich ansammelte, füllten inzwischen die gesamte Fläche meiner Schreibtisch-Auflage, unter die ich sie in meiner Studentenbude steckte.
Es wurde Winter, und Herr M. räumte den Schnee im Hof und unter den kahlen Linden. Ich kam immer wieder in die Akademie. Und es geschah, dass ich die Menschen lieb gewann. Vor allem die Stillen. Aber auch alle anderen, die dort mit viel Engagement ihre Arbeit verrichteten. Und mehr als das.
Irgendwann wurden die neu hinzukommenden Terminkärtchen weniger. Ich kam nur noch zur Kontrolle. Längst war es keine anonyme Klinik mehr, die ich aufsuchte. Alles war sehr vertraut. Die Jahre kamen und gingen.

Die Perspektive veränderte sich

Am Kindermaltisch saßen nun meine eigenen Kinder und malten. Ich lag nicht mehr selbst auf dem Behandlungsstuhl, sondern stand daneben, wenn Dr. Z. meine Töchter verdrahtete. Auch wenn sie über seine Späße kicherten oder sich vor seinen Multiplikationsaufgaben fürchteten, die er manchmal unvermittelt stellte, um sie abzulenken. Das Ablenken funktionierte immer. Das Rechnen nicht unbedingt, weil die Kinder so verdutzt waren.
Zwischen zwei Terminen gingen wir jetzt in den „Saftladen“, denn die Pizzeria gab es nicht mehr. Oder zu Giulietta Patous Ballettboutique, um Tutus anzuschauen und neue Tanzschläppchen zu kaufen. Oder wir saßen einfach nur auf einer der Holzbänke im Hof, wenn diese nicht zu sehr von den Feuerwanzen bevölkert waren.
Die netten Helferinnen und Zahnärzte schoben ihre Fahrräder an uns vorbei und gingen in ihre Mittagspause.
Die Jahre vergingen. Die Zähne der Mädchen fügten sich schließlich in die vorgesehene Ordnung. Die Töchter beherrschten das kleine und das große Einmaleins und wurden erwachsen. Wieder vergingen Jahre.
 

Die Akademie wechselte die Adresse

Sie zog in noch hellere, größere, noch modernere Räume. Es gibt jetzt keine Linden mehr und auch keinen Herrn M., der im Sommer ihre Blüten und im Herbst ihre Blätter zusammenfegt.
Aber immer wieder trifft man auf Menschen von früher, die es auch in die Akademie zieht. Und es gibt sehr nette neue Gesichter, von denen man denkt, sie könnten schon immer da gewesen sein. Die Kunst im Eingangsbereich ist jetzt von einem richtigen Künstler. Neben den Namen der Behandler bei der Patientenanmeldung hängen Porträtfotos. Und im Wartezimmer vergnügen sich die Kinder mit einer fast lebensgroßen Giraffe. Die Bilderbücher sind zum Teil die alten Kinderbücher unserer Töchter. Man trinkt frisches Wasser aus Pappbechern und putzt die Zähne in großzügigen Waschräumen direkt neben dem Wartezimmer.
Ich bin Jahrzehnte älter geworden, während sich die Akademie verjüngt hat. Und ich komme noch immer dorthin. Die Perspektive mag sich weiter verändern. Ich werde gerne noch weiterhin kommen und mich über jedes bekannte Gesicht freuen. Herzlichen Glückwunsch zum 100. Geburtstag!

D. W.
Eine Patientin

 

Weitere Informationen:

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