Zahnärztliche Akademie

Alumni - Fortbildung und Selbstbewusstsein

2012

Die Quellen:

Titelseite, Inhaltsverzeichnis und Zusammenfassung der Masterarbeit (2012) zur wechselseitigen kollegialen Visitation von Dr. Jochen Klemke, M.A.

„Kollegiale Visitationen innerhalb der zahnärztliche Profession können ein sehr effektives und umfassendes Instrument zur Weiterbildung der Praxis und der Persönlichkeit des Praxisinhabers sein. Es gibt kein anderes Fortbildungsformat oder Qualitätsmanagementsystem, das diesbezüglich vergleichbar wäre. Zielgruppe für kollegiale Visitationen sind miteinander vernetzte, erfahrene, in Eigenverantwortung arbeitende Zahnärztinnen und Zahnärzte.“

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Der AZT und seine Methoden - die wechselseitige kollegiale Visitation

von Dr. Jochen Klemke, M.A.
Vergleich zwischen Qualitätszirkel und kollegialer Visitation anhand von sechs Parametern (Quelle: Masterarbeit Dr. Jochen Klemke, M.A.)

Die Methode

Mit den kollegialen Visitationen habe ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit im Studiengang „Integrated Dentistry“ besonders beschäftigt. Der Titel meiner Arbeit lautet: „Kollegiale Visitation in der Zahnmedizin: Einordnung als Methode der kollegialen Beratung und Überprüfung ihrer Wirksamkeit.“
Zur Masterarbeit

Betreut hatte die Masterarbeit Professor Michael Dick. Die wechselseitige Visitation als Instrument zur Professionsentwicklung für Zahnärzte wurde ursprünglich in den Arbeiten von Stawitz (2008) bzw. Dick & Wasian (2011) eingeführt.

Die Methodik der Visitation ist gekennzeichnet durch den wechselseitigen Besuch zweier Zahnärzte in den jeweiligen Praxen. Mindestens einen normalen Behandlungstag lang bleibt der visitierende Kollege bei seinem Gastgeber und notiert alles, was auffällt – positiv oder negativ. Zum Abschluss wird darüber gesprochen und ein schriftliches Feedback erstellt (Dick et al. 2016). Die erste Abbildung zeigt die unterschiedlichen Parameter, die die Visitationen und zum Vergleich dazu die Qualitätszirkelarbeit charakterisieren.

Nachhaltiger Einfluss auf die Praxisroutine

Die wissenschaftliche Fragestellung, ob kollegiale Visitationen aus Sicht der Beteiligten einen direkten und nachhaltigen Einfluss auf die Praxisroutine haben, kann eindeutig mit „ja“ beantwortet werden. Unbestritten ist bei allen Beteiligten das Potential der Methodik. Hier zwei einfache Beispiele (Klemke 2012):

Einer der Teilnehmer an der Diskussion über die Erfahrungen bei den Visitationen schilderte, dass er durch die Konsequenz, mit der sein Visitationspartner die absolute Trockenlegung in der Füllungstherapie verwendet hat, motiviert wurde, dies ebenfalls zu tun:

„Und dann war ich bei Zahnarzt 3 in der Praxis und er wollt, glaube ich, grad nach Hause gehen und da kam noch ein Patient, dem war eine Füllung rausgefallen, und da dachte ich, na, Zahnarzt 3 macht ja jetzt noch eine Füllung und selbstverständlich ließ er sich einen Kofferdam richten. Da dachte ich, wow, irgendwie hat mich das bekehrt. Und jetzt mache ich seither fast alle Füllungen, nicht alle, aber fast alle auch mit Kofferdam und seither liebe ich das auch bei Füllungen. Und ich muss jetzt zugeben, dass das nochmal einen erheblichen Zuwachs in der Qualität der Füllungen macht.“

Ein anderer Kollege berichtet über eingeschliffene Redewendungen dem Patienten gegenüber:

„..., dass ich immer gesagt habe, ich polier jetzt nochmal kurz. Zahnarzt 2 hat zu Recht gesagt: Ja, stell dir vor, der Patient sagt: Kurz, warum nur kurz. Bin ich es nicht würdig, ordentlich oder lang poliert zu werden. Der hat nur kurz poliert, ah deswegen merk ich da hinten ja noch die Kante. Da komm ich nochmal wieder in die Praxis, der soll nochmal nachpolieren. Und da hat er komplett Recht. Wir sagen jetzt, jetzt machen wir noch die Hochglanzpolitur.“

Chancen und Risiken der Visitation (Quelle: Masterarbeit Dr. Jochen Klemke, M.A.)

Chancen der Visitation

Mit der Bereitschaft, die „black box Zahnarztpraxis“ zu öffnen, professionelle Kritik zuzulassen und sich damit auseinanderzusetzen, ist eine große Chance zur Performance der Praxis, verbunden mit einem Stück Persönlichkeitsentwicklung gegeben. Es existiert kein anderes Fortbildungsformat oder Qualitätsmanagementsystem, welches diesbezüglich in der Intensität vergleichbar wäre. Zielgruppe für kollegiale Visitationen sind miteinander vernetzte, erfahrene, in Eigenverantwortung arbeitende Zahnärzte*innen. Je geringer jedoch die gemeinsame fachliche und persönliche Basis ist, desto genauer müssen die Rahmenbedingungen und die Absprachen vor einer kollegialen Visitation gefasst werden. Dies sollte behutsam geschehen, da eine zu starke Reglementierung des Ablaufes im Sinne eines abzuhakenden Fragenkataloges die umfassende Abbildung der Praxen durch die Visitation einschränken würde. Klar ist auch, dass die Methodik nur auf freiwilliger Basis funktionieren kann.

Lebhafte Diskussion bzw. angestrengtes Nachdenken zu den Fragen des Moderators bei der Gruppendiskussion des AZT (Februar 2012): Susanne Teschner, Dr. Ansgar Tuszynski, Dr. Florian Troeger M.A. und Dr. Martin Rücker (von links nach rechts) (Quelle: Dr. Jochen Klemke, M.A.)

Fortbildung auf Augenhöhe

Eine Besonderheit der „Fortbildung“ durch kollegiale Visitationen ist der breite Bereich, der abgedeckt respektive aufgedeckt wird. Die nach den gegenseitigen Praxisbesuchen diskutierten Themen betreffen nicht nur zahnärztliche, zahntechnische, wirtschaftliche oder organisatorische Parameter. Vielmehr bietet diese Methode die einmalige Chance, mit dem Visitationspartner oder der Partnerin auf Augenhöhe Fragen zu erörtern, die normalerweise nicht angesprochen werden. Beispiele sind Themen wie interne Kommunikation, Mitarbeiterwertschätzung, Selbstreflektion aber auch die Frage nach der Lebensqualität angesichts einer immer herausfordernden Praxisrealität.

Kollegiale Visitationen sind kein einfaches Instrument, das flächendeckend eingeführt werden könnte. Es mag aufgeschlossenen und sich selbst hinterfragende Experten auf einem hohen Niveau zu weiterführenden Lernerfahrungen verhelfen. Daher ist es maßgeschneidert für den AZT.

Mein persönliches Fazit

Die zahnärztliche Profession braucht den großen Erfahrungsschatz und das umfassende Wissen, das in den einzelnen Praxen im Verborgenen liegt. Universitäres Wissen ist die Grundlage für jeden Zahnarzt, reicht aber für eine erfolgreiche Therapie und Praxisführung alleine nicht aus. Kollegiale Beratungen und somit auch Visitationen sind Instrumente, die dieses Wissen in den Praxen strukturieren und verfügbar machen. Ich persönlich bin dem AZT und der Akademie sehr dankbar für diese Möglichkeiten, die mich bereichern und mir bei den täglichen Herausforderungen des Praxisalltags helfen.

 

Zitierte Literatur
Dick, Michael; Riesen, Christa; Klemke, Jochen (2012). Wechselseitige kollegiale Visitation. In: M. Dick, W. Marotzki, H. Mieg (Hrsg.), Handbuch Professionsentwicklung (S. 321ff.). UTB/Klinkhardt: Bad Heilbrunn
Dick, Michael; Wasian, Franziska (2011). Kollegiale Visitationen als Methode Reflexiver Professioneller Entwicklung. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 18, S. 49-65
Klemke, Jochen (2012). Kollegiale Visitation in der Zahnmedizin: Einordnung als Methode der kollegialen Beratung und Überprüfung ihrer Wirksamkeit. Masterarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Stawitz, Franziska (2008). Wechselseitige Visitationen als Instrument des Continuing Professional Development (CPD) von Zahnmedizinern. Magisterarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

 

Weitere Informationen:

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