Zahnärztliche Akademie

Die ersten 40 Jahre – Dentist und Zahnarzt, der duale Berufsstand

1920

Die Quellen:

Badisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 24 vom 15. April 1920 mit der Verordnung „Die staatliche Prüfung von Dentisten“ vom 29. März 1920

„Das Ergebnis der Prüfung wird für jeden Geprüften und jedes Prüfungsfach in einer Niederschrift vermerkt, die von den Vorsitzenden und den übrigen Mitgliedern der Prüfungskommission zu unterzeichnen ist. Es werden nur die Noten „bestanden“ und „nicht bestanden“ erteilt.“

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Ein neuer Berufsstand konsolidiert sich - die staatliche Prüfung von Dentisten

von Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A.
Ein früher Dentistenausweis aus Baden aus dem Jahr 1922

1920 - das Jahr der Dentisten

Nur wenigen ist heute noch bekannt, dass über viele Jahrzehnte die Zahnheilkunde in Deutschland von zwei unterschiedlichen Berufsständen ausgeübt wurde. Die Zahnärzte, die zur Erlangung ihrer Approbation ein akademisches Studium absolviert hatten, waren dabei in der Minderzahl. Weitaus größer war die Gruppe der „Dentisten“, die sich nach Einführung der Kurierfreiheit im Jahr 1869 in Deutschland gebildet hatte. 

Die Dentisten waren im Hinblick auf ihre Ausbildung eine durchaus heterogene Gruppe. Sie hatten jedoch seit 1880 ein schlagkräftiges Verbandswesen aufgebaut und bereits 1903 eine eigene Prüfungsordnung beschlossen. Diese war jedoch nicht staatlich anerkannt. Im Hinblick auf das Bild des eigenen Berufsstandes in der Öffentlichkeit war dies ein großes Manko. Doch die jahrelange politische Arbeit ihres Verbandes sollte nicht ohne Erfolg bleiben.

Im Frühjahr 1920 feiern die Dentisten. Sie feiern die Einführung der Verordnung „Die staatliche Prüfung von Dentisten“ im Lande Baden. Dieses für die Dentisten so wichtige Zeitdokument umfasst insgesamt 17 Paragraphen. Eine Anlage regelt mit einem Muster das Aussehen des Dentisten-Ausweises. Dieser staatlich lizensierte Abschluss wird später liebevoll auch als „kleine zahnärztliche Approbation“ bezeichnet. Sie bildet den gesellschaftlichen und berufspolitischen Hintergrund für die Schaffung des neues Lehr- und Ausbildungsinstitutes in Karlsruhe.

Baden ist das erste Land im Deutschen Reich, das eine staatliche Prüfung für Dentisten einführt. Andere Länder sollen folgen.
Quelle: Gesetz

Die Badische Regierung 1919 - in der Mitte stehend ist der Minister des Innern Dr. h.c. Adam Remmele zu sehen (Quelle: Stadtarchiv Mannheim KF016467)

Die Dentisten-Verordnung mit strengen Zulassungsvoraussetzungen

In der Verordnung ist die Zusammensetzung der Prüfungskommission festgelegt. Diese besteht aus einem beamteten Arzt als Vorsitzendem, einem Zahnarzt und einem zur Krankenkassenpraxis zugelassenen Dentisten. Ferner sind hier Prüfungsvoraussetzungen, Fristen, Gebühren etc. festgelegt. Zur Prüfung wurde nur zugelassen, wer eine 3-jährige abgeschlossene Lehrzeit bei einem in der Zahntechnik und operativen Zahnheilkunde ausgebildeten Lehrherrn und dann eine 3-jährige Tätigkeit als Gehilfe eines Zahnarztes oder eines Dentisten aufweisen konnte. Die Ausbildungszeit am Lehrinstitut konnte mit bis zu einem Jahr angerechnet werden. Zusätzlich war der Nachweis über eine 2-jährige Tätigkeit als Dentist im Lande Baden erforderlich. Unterschrieben ist die Verordnung vom Ministerium des Innern, Remmele.
 

Die mündliche und praktische Prüfung

Die Prüfung selbst bestand aus einem mündlichen und praktischen Teil. Inhalt der mündlichen Prüfung war nach § 11:

Inhalt der mündlichen Prüfung
a. Allgemeiner Bau des menschlichen Kopfes, Bau der Zähne, Grundzüge der Entwicklung der Zähne
b. Infektion und Desinfektion, Asepsis und Antisepsis in der Zahnbehandlung
c. Zahnerkrankungen
d. Die Verhütung der Zahnfäule
e. Die Verwendung und Wirkung der bei der Zahnbehandlung gebräuchlichen Mittel
f. Die Behandlung der Zahnkrankheiten
g. Die Wurzelfüllung
h. Das Füllen der Zähne mit den sämtlichen in Betracht kommenden Materialien
i. Die Extraktion der Zähne
j. Die örtliche Anästhesie im Dienste der Zahnbehandlung
k. Die Behandlung nach der Extraktion
l. Die Grundzüge des Zahnersatzes, die Befestigung des zukünftigen Zahnersatzes, die Vorbereitung des Mundes zum Zahnersatz, die Artikulation und die Artikulatoren, die Grundzüge der Zahnregulierung
m. Misserfolge und üble Zufälle nach der Zahnbehandlung
n. Materialienkunde: Metallurgie, besonders die Behandlung und Bearbeitung der in der Zahnersatzkunde verwendeten Metalle und Legierungen

 

In der praktischen Prüfung sollten nach § 12 die folgenden Kenntnisse und Fertigkeiten in der Zahnbehandlung und Zahnersatzkunde nachgewiesen werden:

Inhalt der praktischen Prüfungen
1. Extraktion eines Zahnes und Füllen eines Zahnes
2. Abdruck- und Bissnehmen von einem zahnlosen Munde und Aufstellung und Einproben eines ganzen Gebisses in Wachs
3. Anfertigung mindestens eines Zahnersatzstückes in Kautschuk mit gelöteten Schutzplatten und Klammern nach einem Modell
4. Anfertigung einer gleichen Arbeit mit gestanzter Metallplatte
5. Eine Metallgussarbeit nach Wahl
6. Anfertigung eines Stiftzahnes oder einer Kronenarbeit nach Wahl (Phantomarbeit)
7. Anfertigung einer Brückenarbeit (Phantomarbeit)

8. Die Ausführung je einer schwierigen Reparatur an einem Kautschuk- und einem Metallzahnersatzstück

Ein frühes Zeugnis eines staatlich geprüften Dentisten aus dem Jahr 1923. Die Prüfungskommission besteht aus Herrn Med.-Rat Eberle, Herrn Baniseth und Herrn Kimmich (Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe 236 Nr. 28534)

Prüfungsergebnis

Das Prüfungsergebnis lautete „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Eine Prüfungswiederholung war frühestens nach 6 Monaten möglich.

Weitere Formalitäten regeln Richtlinien für die staatliche Prüfung der Dentisten. Beispielsweise heißt es „die Prüfung ist eine collegiale und soll in der Regel nicht mehr als 2 Stunden für 4 Teilnehmer dauern.“

Für den praktischen Teil der Prüfung ist dort vermerkt, dass diese in der Regel vor der theroretischen Prüfung stattfinden soll. Der praktische Teil umfasst dabei einen Zeitraum von 5 Tagen. Auch die Gewichtung der Bewertungen der einzelnen Prüfungsabschnitte ist geregelt (Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe 236 Nr. 28533).

Ein Beispiel für eine im Januar 1923 in einer Zeitung erschienene „Werbeanzeige“, die im Juni 1923 fast zum Entzug des Dentistenausweises geführt hat (Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe 236 Nr. 28533)

Keine Werbung erwünscht

Der § 17 der Verordnung regelt, dass der Ausweis zurückgenommen werden kann, wenn die Unzuverlässigkeit des Dentisten nachgewiesen wird, insbesondere wenn er seine Tätigkeit im Umherziehen oder im Nebengewerbe (Barbier usw.) ausübt oder aber seinen staatlichen Ausweis zur Reklame in öffentlichen Ankündigungen missbraucht.

 

Eine Prüfungsordnung für 32 Jahre

Die staatliche Prüfung der Dentisten hatte 32 Jahre Bestand. Im Jahr 1952, dem Erscheinungsjahr des Zahnheilkundegesetzes, traten neue Regelungen in Kraft, die den Übergang in einen einheitlichen zahnärztlichen Berufsstand ebneten. In der digitalen Festschrift kommt auch ein Zeitzeuge zu Wort, der über Ausbildung und Prüfung vor 1952 Auskunft gibt.  Interview mit Herrn Grein

 

Weitere Informationen:

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