Zahnärztliche Akademie

Die ersten 40 Jahre – Dentist und Zahnarzt, der duale Berufsstand

1930

Die Quellen:

Ein Augenzeuge berichtet. Deutsche Dentistische Wochenschrift 9. April 1930

„Pünktlich auf die Minute beginnt der Arbeitsbetrieb und wehe dem Zuspätkommenling! Unbarmherzig wird er von Schwester Jovianas spitzem Stift notiert und zur Weiterbehandlung dem Direktorium überreicht. Da gibt es dann freilich nichts zu lachen!“

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Eine strenge Schule - der Lehrbetrieb im Institut

von Prof. Dr. Winfried Walther

Ist eine Gleichstellung der beiden zahnmedizinischen Stände möglich?

Eindrücke von Karlsruhe“ betitelt Dr. Pawlowski seinen Bericht in der Deutschen Dentistischen Wochenschrift, der im April 1930 erschien. Er wollte offenbar den Lehrbetrieb am Institut kennenlernen, um sich ein Bild darüber zu verschaffen, wie weit die Dentisten beim Aufbau einer fachgerechten Ausbildung gekommen waren. Emil Kimmich und weitere Mitglieder des Lehrkörpers führen ihn herum. Er ist beeindruckt. Eine Gleichstellung der beiden zahnmedizinischen Stände - der Zahnärzteschaft und der Dentistenschaft - erscheint ihm nach der Besichtigung möglich. Eine „auf gesetzlichem Wege zu erreichenden Vermittlung“ steht er positiv gegenüber, insbesondere weil die Stände dann nicht mehr von den Krankenkassen gegeneinander ausgespielt werden können. Es sollte noch 20 Jahre dauern bis in der Zeit der Bonner Republik das „Gesetz zur Ausübung der Zahnheilkunde“ diesen politischen Schritt Wirklichkeit werden ließ.

Jeder Stuhl besetzt - im „Plombiersaal“ herrscht Hochbetrieb (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Rundgang durch ein sehr lebendiges Haus

Pawlowskis Bericht über seinen Rundgang im Institut ermöglicht ein sehr lebendiges Bild vom Lehrbetrieb in Karlsruhe. Er schildert die der Lehre dienenden Räume und beschreibt, was in diesen geschieht. Außerdem gewährt der Bericht einen Eindruck von der Atmosphäre, die im Haus herrschte. Die Strenge, mit der der Lehrbetrieb geleitet wurde, gefiel dem Autor außerordentlich.
Quelle: Dentistische Wochenschrift

Unterricht im Plombiersaal. Die Schüler behandeln stehend am sitzenden Patienten und ohne Assistenz, wie es auch in der Praxis üblich war. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

„Verfeinerung“ der Leistung des Schülers steht im Vordergrund

Die einzelnen Stationen des Rundgangs bieten das Bild einer zahnmedizinischen Ausbildung, die in Bezug auf die vermittlungtechnischen Vorgänge in ihren Grundzügen bis heute Bestand hat. Die Ausrüstung und die Geräte haben sich allerdings stark verändert. Die Kernzone des Ausbildungsbetriebes ist der „Plombiersaal“. Hier wird der klinische Unterricht in allgemeiner Zahnheilkunde abgehalten. Das Besondere an der klinischen Ausbildung im Lehrinstitut bestand darin, dass die Schüler bereits 6-7 Jahre Praxis hinter sich hatten. Als Lehrling und später als Praktikant hatten sie bereits Einblick in die klinische Arbeit einer Zahnarzt- bzw. Dentistenpraxis gewonnen. Der Berichterstatter vermerkt positiv, dass die Lehrer deswegen nicht mit der „Einstudierung der primitiven Handgriffe“ belastet seien. Sie könnten sich ganz und gar auf die Kontrolle und die „Verfeinerung“ der Leistung des Schülers konzentrieren.

Der Phantomsaal - den Schüler in der Mitte der Abbildung wird die richtige Haltung des Winkelstücks gezeigt. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Der Unterricht im Phantomsaal „entscheidet über die Zulassung am lebenden Patienten“ - eine Feststellung des Autors, die auch heute noch Gültigkeit hätte.

Im Modelliersaal werden Modelle für die Hygiene-Ausstellung in Dresden gefertigt. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Der als „Modelliersaal“ bezeichnete Raum würde heute wohl als „zahntechnisches Labor“ bezeichnet. Zum Zeitpunkt des in der Quelle dokumentierten Rundgangs scheint hier eine ganz außergewöhnliche Aktivität stattgefunden zu haben, die auch durch das hier eingefügte Bild bezeugt ist. Im Institut wurden offensichtlich Demonstrationsgegenstände hergestellt, die von auswärtigen Institutionen bestellt waren. Genannt wird im Text die „kommende Hygiene-Ausstellung in Dresden“.

Im zahntechnischen Labor. Direktor Kimmich führt eine Besuchergruppe durchs Haus. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)
Der Mikroskopiersaal. Auf diesem Bild - in dunklem Anzug - ist Walther Engel zu erkennen, der 1938 in den Lehrkörper des Instituts eintrat und im Jahr 1950 Direktor wurde. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Ausführlich wird im Text auch auf die histologische und anatomische Ausbildung am Institut eingegangen. Das Institut verfügte über eine ganze Reihe von menschlichen Präparaten, die zur Veranschaulichung der menschlichen Anatomie dienten. Für diese Präparate gab es ab 1960, nach Auflösung des Lehrinstituts, keinen Verwendungszweck mehr. Sie verschwanden im Keller und tauchten erst bei der großen Sanierung des Hauses in den Jahren 1978 – 1981 wieder auf, was der Akademie einen Besuch der Kriminalpolizei bescherte.

Das Extraktionszimmer mit Röntgeneinrichtung. Die heute gültigen Abstandsgebote spielten noch keine Rolle. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)
Der große Hörsaal im Obergeschoss. (Quelle: Bildarchiv Akademie Karlsruhe)

Disziplin und Effizienz

Der Autor des hier zitierten Berichtes über das Dentistische Lehrinstitut war Arzt. Der universitäre Unterricht war ihm also vertraut und er vergleicht die Art der Lehre, die ihm vertraut ist, mit der, die er am Karlsruhe Institut kennengelernt hat. Disziplin und Effizienz der dort vertretenen Lehre gefallen ihm offensichtlich ganz außerordentlich. Pünktlichkeit und Fleiß sind für ihn wichtige Grundvoraussetzungen für eine effiziente Ausbildung. Er begrüßt den „Lernzwang“, der es gestatte, die Ausbildungszeit erheblich zu verkürzen. Die im Institut geleistete Arbeit, so formuliert er am Ende seines Berichtes, entspräche derjenigen, „die in der doppelten Zeit an Anstalten ohne Lernzwang erzielt wird“. Hierbei meint er offensichtlich die Universität. Sicher hat er sich bei seinem Institut Rundgang kein vollständiges Bild der Lehre machen können. Wie die Absolventen den Lehrbetrieb erlebten, beschreibt der Augenzeugenbericht von Zahnarzt Grein, der nach dem Krieg am Institut lernte.

Die Effizienz der zahnärztlichen Ausbildung ist ein Kriterium das auch heute immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerät. So zum Beispiel bei der Diskussion der neuen Approbationsordnung, die 2019 verabschiedet wurde und das technische Training der Studierenden der Zahnmedizin beschnitten hat. Die Bewunderung für die zahnmedizinische Ausbildung in Karlsruhe, die Dr. Pawlowski ausdrückt, lässt den Schluss zu, dass er ein sehr lebendiges und gut organisiertes Haus kennengelernt hat. Heute gelten jedoch für Zahnärztin und Zahnarzt erhöhte medizinische Anforderungen, die auch andere Formen des Unterrichts erfordern.

 

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